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Das „Diarium Actorum“ des Caspar Heinrich Marx

Holger Berg (Kopenhagen)

Als zwei Geistliche am 27. November 1629 zum Doktor der Theologie promovierten, war es ein großer Tag für die katholische Gemeinschaft in Erfurt. Solches war „in 110 Jahren nicht geschehen“ gab ein Beobachter aus der lutherischen Mehrheit widerwillig zu; eine theologische Promotion hatte zuletzt 1520 stattgefunden, vor der städtischen Reformation.[1] Hierin sahen sowohl der lutherische Chronikschreiber wie auch die katholischen Teilnehmer eine feierliche, zeremonielle Bestätigung, dass der Katholizismus vor Ort wieder erstarkt war. Im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre hatte die bis dahin seit Jahrzehnten dahinsiechende Glaubensgemeinschaft einen Aufschwung genommen; nun konnte sie die Hoffnung haben, sich gegen die lutherischen Häretiker zu behaupten. Verantwortlich für diese Vitalisierung war hauptsächlich die Mission des jungen Ordens der Jesuiten. 1611 gründeten die Jesuiten eine Schule in Erfurt, welche sie bis zum Jahre 1616 zu einem Gymnasium ausbauten; 1615 zogen die Patres selbst in einem ehemaligen Kloster ein, das lange leer gestanden hatte und zeitweilig im Besitz der Lutheraner gewesen war. Schließlich wurde drei Jahre später ihre seit 1601 am Ort befindliche Ordenssiedlung in den Rang eines Kollegs erhoben.[2] Die doppelte Promotion im Jahre 1629 krönte den Erfolg dieser jesuitischen Bildungsoffensive. Bezeichnenderweise war es ein Jesuiten-Pater, Dr. Johannes Bettingen, der als Dekan der Theologischen Fakultät die Veranstaltung leitete. Die zwei neu Promovierten vertraten jeweils den Ordens- und den Weltklerus. Neben dem Augustinereremiten, Pater Jacobus Zeilier, disputierte auch der Priester Caspar Heinrich Marx, um den es im Folgenden gehen wird.

Caspar Heinrich Marx ist bei der Erlangung seiner Doktorwürde 29 Jahre alt. Er erhielt eine Ausbildung, die des Sohnes eines kurmainzischen Amtsträgers würdig war. Sein Vater ließ ihn bereits mit sieben Jahren an der Erfurter Universität einschreiben und schickte ihn darauf nach Mainz, wo er das dortige Jesuitenkolleg besuchte und später Philosophie an der Universität Mainz hörte. Mit 16 Jahren erhielt er die Tonsur und machte somit den ersten Schritt auf dem Weg einer Karriere als Priester. Die Priesterweihe erhielt Marx erst mit 25 Jahren, trat aber kurz darauf, im gleichen Jahr, in die Stiftskirche St. Marien als Kanonikus und Kantor ein.[3]

Unter den drei Personen, die aktiv an der Promotion im November 1629 teilnahmen, war er der einzige in Erfurt Geborene. Der Vorsitzende, Dr. Bettingen, stammte aus Trier. Der andere Kandidat Zeilier kam aus Diedenhofen in Lothringen (heute Thionville).[4] Dieses Trio spiegelte die Lage des Katholizismus in Erfurt gut wieder. Marx war Teil einer kleinen, aber heterogenen Gruppe katholischer Kleriker und weltlicher Amtsträger, die oft aus weit entfernten katholischen Territorien nach Erfurt gekommen waren. Neben den Beamten des Stadtherrn, des Kurfürsten von Mainz, standen der Stiftsklerus und die Ordensgeistlichen. 1618 gab es noch fünf Mönchs- und vier Nonnenklöster in der Stadt. Marx gehörte zum St. Marien-Stift, dem größten der beiden Stifte, deren Kirchen nebeneinander auf dem Domhügel stehen und über die Stadt ragen. Doch in gewisser Hinsicht trügt die bauliche Größe. Erfurt war zu dieser Zeit kein Bistum und zahlenmäßig waren die Katholiken hier in der Minderheit. 1620 zählten sie, die Kleriker, Beamten und Nonnen, die Männer, Frauen und Kinder, wohl höchsten 2000 Köpfe, in einer Stadt bewohnt von etwa 17 000 Lutheranern.[5]

Um die Doktorwürde zu erlangen, disputierte Marx im Laufe des Jahres 1629 dreimal über theologische Thesen. Alle drei Disputationen wurden umgehend zum Druck befördert, um zu dokumentieren wie ”die theologischen Wettstreitigkeiten und Stellungnahmen” jetzt ”mit göttlicher Hilfe” in der ”sehr alten Universität Thüringens, die in Erfurt liegt, nach einer Unterbrechung von mehr als hundert Jahren [...] nun wieder eingeführt” worden seien ”in ihrer vorherigen Strenge”.[6] Doch es sind nicht diese Drucke, die hier behandelt werden sollen. Im Zentrum steht vielmehr das Tagebuch, welches „von der Zeit der Niederlage des kaiserlichen Heeres am 17./7. September im Jahr 1631 an” geführt wurde, wie sein Titel angibt.[7] Die Schlacht bei Breitenfeld mit dem großen Sieg Gustav Adolfs führte dazu, dass die kaiserlich-ligistische Kontrolle über Mitteldeutschland zusammenbrach. Als der städtische Rat daraufhin einwilligen musste, eine schwedische Garnison aufzunehmen, verschlechterten sich auch die Lebensbedingungen der städtischen Katholiken. Marx gibt die Furcht vor einer bisher nicht vorstellbaren Veränderung der Lage des katholischen Klerus als Grund dafür, ein Amtstagebuch zu führen.[8] Während die Dissertationen, verfasst im Jahr 1629, dem Jahr des kaiserlichen Restitutionsedikts, das Wiedererstarken des Katholizismus in Erfurt vorführen wollten, sollte das Tagebuch nachweisen, wie Marx die Rechte seines Stiftes in einer Zeit der Prüfung standhaft verteidigte.

Fragt man, wie die erste schwedische Besatzungszeit zwischen 1631 und 1635 von den Katholiken erfahren wurde, so lässt sich zumindest für die Geistlichen festhalten, dass ihre Beschimpfungen zunahmen und die Furcht, Opfer physischer Gewalt zu werden, wuchs. Die Gefahren kamen von vielen Seiten. Den Lutheranern wurde es jetzt ermöglicht, ihrer Abneigung gegen die „Papisten“ freien Lauf zu lassen. Als der Rat es im September 1632 unterließ, die katholische Minderheit zu schützen, erstürmten lutherische Bürger den Domhügel und erkämpften sich Zugang zur Marienkirche. Der lutherische Laie Hans Krafft beschrieb in seiner Chronik dieses Ereignis mit Sympathie und kämpferischem Geist: „Wir haben mit zwei Orgeln, Instrument Lauten, Harfen, Pauken, Pfeifen und Geigen eine herrliche, stattliche, überaus schöne Musik gehalten. Aber es wollte den Papisten nicht gefallen, sie wollten die Türme [für das Läuten der Glocken] nicht eröffnen. Sie [die Lutheraner] mussten drei Türen aufbrechen, dass sie zu den Glocken kommen konnten.”[9] Etwa ein Jahr danach drangen lutherische Bürger erneut in die Kirche ein und griffen dort Heiligenstatuen an.[10] Soldaten entdeckten bereits kurz nach dem Einmarsch, dass „Pfaffen“ leichteren Opfer für Räuberei und Einbrüche waren als lutherische Bürger.[11] Die Militärbefehlshaber wiederum, die neben Macht auch Autorität besaßen, forderten ab dem ersten Besatzungsmonat wie auch andertwertig üblich höhere Kriegssteuern vom Klerus und drohten mit gewaltiger militärischer ‘Exekution’, falls ihre Kontributionen ausbleiben sollten.[12] Zudem setzte der städtische Rat den Klerus und die Klöster unter zunehmenden Druck. Einzelne Orden waren bereits 1632 aus ihren Klöstern vertrieben und ihnen andere Gebäude zugewiesen worden. Der Rat wies im Laufe des Jahres 1633 diejenigen Geistlichen aus der Stadt hinaus, die sich weigerten, ihm Treue zu schwören; ”subscribiren oder migriren” forderte der Ratsbeauftragte Dr. Thiel.[13] Auf Geheiß des Rates wurde auch Marx, nach langer Verhandlung und schriftlichem Tauziehen, seiner Stelle an der Universität enthoben. Der lutherische Theologe, Johann Matthäus Meyfart, den Marx schon 1630 mit einer Streitschrift herausgefordert hatte, wurde nun nach Erfurt berufen. Zeitweilig übernahm er sogar Marx’ Stelle als Dekan der theologischen Fakultät. [14]

Von den erhaltenen Quellen vermittelt das von Marx geführte Amtstagebuch wohl den besten Einblick in die Problemen, mit denen der katholische Klerus in dieser Zeit zu kämpfen hatte. Im Folgenden wird zunächst kurz auf den Verfasser und seine Schrift eingegangen. Danach soll besprochen werden, wie Stadthistoriker das Amtstagebuch von Marx bislang als Dokumentation für das Leiden der Katholiken unter schwedischer Fremdherrschaft genutzt haben. Abschließend wird diskutiert, inwieweit das Amtstagebuch auch als Selbstzeugnis gelesen und verstanden werden kann.

1. Bemerkungen zum Amtstagebuch.

Diese Quelle ist kein privates Tagebuch im modernen Sinne; sie wurde zu amtlichen Zwecken verfasst. Gegen Ende des Jahres 1631 beginnt Marx, Eingriffe und Übergriffe der lutherischen Machthaber zu dokumentieren. Er greift dazu auf einen vorher weitgehend unbeschriebenen Band zurück, dessen erste sieben Seiten mit zwei Urkunden eröffnet werden.[15] Die ersten Einträge sind wahrscheinlich zur Jahreswende 1631/1632 hin geschrieben. Damals blickte Marx besorgt auf die „Acta des 1631 iahrs“ zurück, als Überfälle zur Tagesordnung gehörten. Soldaten störten wiederholt absichtlich den Gottesdienst und „wir Geistlichen sassen in forcht, und Zitter, undt pressuren [Bedrückungen zu Hause und auf den Strassen], in deme auch keiner [ungeschmäht] fast uber die Gassen gehen derffen.“[16] Die kommenden Jahre unterschieden sich jedoch von diesen ersten chaotischen Monaten der Besatzung. Von 1632 bis 1635 sollte die Bedrohung weniger von einzelnen Soldaten auf der Suche nach Beute ausgehen. Nun waren es vielmehr die unterschiedlichen lutherischen Obrigkeiten, die nach Kontributionen, Gütern und Gehorsam verlangten.

In diesen vier Jahren hat Marx reichlich Grund, sein Diarium fortzusetzen. Seine häufigen Einträge geben Zeugnis davon, wie die aktuellen (Heraus)forderungen sich von Woche zu Woche und von Monat zu Monat wandelten. Wöchentlich, täglich, ja manchmal stündlich trägt er seine Bemerkungen ein. Er schreibt auf die Schnelle; beim ersten Blättern fallen vor allem die vielen ausgestrichenen Passagen und Zusätze am Rande auf. Neben abgeschickten, empfangenen und entworfenen Briefen enthält das Amtstagebuch auch viele Protokolle aus internen Beratungen des Klerus. Marx hält Treffen mit den Kollegen aus seinem Stift und den restlichen katholischen Gemeinden und Klöstern fest. Die Geistlichen debattierten, wie sie auf die jeweils neuesten Forderungen seitens der Besatzungsmächte oder des Rates reagieren sollten, und sie waren hierbei keineswegs immer einer Meinung. Marx zeigt sich hier durchaus als ein parteilicher Protokollant, der die Debatten meist in aller Kürze wiedergibt. Er verteidigt Beschlüsse, mit denen er sympathisiert, gegen die interne Kritik seitens anderer katholischer Kleriker und Beamten.

Das Amtstagebuch gleicht in gewisser Hinsicht einer doppelten Buchführung. Auch andere Kollegen führten Protokolle dieser internen Treffen für das Stiftsarchiv.[17] Der Wert eines zweiten, separaten Protokolls wird Marx ab der ersten Woche der Besatzung klar gewesen sein. Denn sehr bald begannen die Soldaten, die Stiftshäuser nahe bei ihrem Lagerfeuer zu plündern und die dort aufbewahrten Archivalien zu zerstreuen. Danach inspizierten schwedische Deputierte die Schränke des Marienstifts; später entnahmen sie auch der Mainzer Amtsstube wertvolle Archivalien. Ein Jahr darauf, im Dezember 1632, fingen Ratsdiener schließlich an, eigene Kloster- und Stiftsinventare zu erstellen und Archivalien in das Rathaus zu überführen.[18] In dieser unsicheren Situation diente das Tagebuch seinem Schreiber auch als eine Art privates Archiv. Es sollte ihm und seinen späteren Lesern wichtige Daten dauerhaft sichern, und ihnen somit helfen, die von ihnen als rechtswidrig erfahrenen Eingriffe später wieder rückgängig zu machen und Restitution zu erlangen.

Die Tagebucheinträge enden im Oktober 1635. Wenige Monate zuvor, im Juli, ist die Stadt dem Prager Frieden beigetreten. Eine zentrale Friedensbedingung war die Rückgabe aller Güter, die nach 1627 beschlagnahmt worden waren. Marx fängt deshalb in den auf den Prager Frieden folgenden Monaten an, seine Notizen zu benutzen, um Forderungen geltend zu machen.[19] Sein letzter Eintrag im Tagebuch gibt ein Schreiben an den Mainzer Abgeordneten in Erfurt Johann Christoph von Harstall wieder. In ihm ersucht Marx darum, ihn wieder seine Stelle als Dekan der Theologischen Fakultät der Erfurter Universität zurück zu übertragen, die ihm im Juli 1633 aberkannt worden war. Dank seiner Notizen kann Marx genau belegen, wann und auf wessen Befehl ihm welche Insignien damals abgenommen worden waren. Er verspricht, weiterhin genauestens, von „dag zue tag genugsamb demonstriren” zu können, wie kläglich der damalige lutherische Rektor Justus Heckel es unterließ, ihn, Marx, als Kollegen und Mitglied der Universität zu schützen.[20] Marx durfte die ersten Erfolge dieser Bemühung noch erleben. Ein Katholik aus seinem Stift, Johannes Lambert Winter, wurde wieder Dekan der theologischen Fakultät. [21] Doch am Ende des Jahres, gerade zu dem Zeitpunkt als seine Notizen begannen, ihren Nutzen zu zeigen, starb Marx an der Pest. Dieser frühe Tod, am 18.12.1635, beraubte ihn der Möglichkeit, sein Tagebuch weiterhin selbst für die erhoffte Restitution der Universität zu benutzen; sie sollte bis 1649 lutherisch bleiben.

Die Frage, ob und wie die Mainzer Beamten und Stiftsgeistlichen das Tagebuch nach 1635 verwendeten, ist die wohl dringlichste quellenkritische Aufgabe, die nach der Edition der Quelle weiterhin bestehen bleibt. Spätere Auszüge aus dem Text, die sich im Archiv des Erfurter Marienstifts befinden, belegen, dass Stiftsgeistliche das Diarium lasen – wahrscheinlich um ihre Ansprüche bei der Restitution durchzusetzen.[22] Es bleibt offen, ob die kritischen Notizen zum Verhalten einzelner katholischer Kleriker und Beamter auch Konsequenzen für diese Personen selbst hatten? Zu untersuchen wäre weiterhin auch, ob die von Marx angegebenen Beilagen (meist Abschriften der Korrespondenz) noch erhalten sind und wo sie sich gegebenenfalls befinden. Archivrecherchen könnten klären, ob fehlende Berichte, die Marx in das Tagebuch einfügen wollte, heute anderswo überliefert sind - oder ob er sie zwar plante, aber nie schrieb.[23]

2. Die bisherige Beschäftigung mit dem Autor und seinem Amtstagebuch.

Caspar Heinrich Marx ist in der Erfurter Stadtgeschichte keineswegs unbekannt. Seine erste Biografie wurde kurz nach seinem Tod vom damaligen Rektor der Universität, Henning Rennemann, veröffentlicht, in Form eines (in doppelter Hinsicht) einseitigen Nekrologs.[24] Es war üblich, dass der jeweils amtsinhabende Rektor das Leben eines verstorbenen Universitätsangehörigens würdigte. Doch dieser Nekrolog war mehr als eine amtliche Pflichtübung; er glich einem politischen ‘statement’. Marx wird hier als einer der wenigen ‘guten’ Katholiken beschrieben, welche in den zurückliegenden Jahren standhaft auf ihrem Posten verbliebent. Er vertrat öffentlich sein Amt, während andere Geistliche sich versteckten. Die Mehrheit seiner Kollegen seien aus der Stadt geflüchtet, um den gewalttätigen Soldaten zu entgehen.[25] Rennemann schreibt nur positiv von dem verstorbenen Marx, wie es zum Genre gehörte: „de mortuis nihil nisi bene“ lautete die Devise. Vergessen war die Fehde der vergangenen Monaten zwischen Marx und dem lutherischen Professor Nikolaus Zapf. Deren gegenseitige Schmähungen und ihre „plakativen“ Behauptungen eigener Rechte in Oktober 1635 wurden stillschweigend übergangen.[26]

Wenn Rennemann den Verstorbenen als umgänglich lobte, so geschah das auch in eigenem Interesse.[27] Der lutherische Jura-Professor und leitendes Ratsmitglied war zu dieser Zeit an den Bemühungen beteiligt, die 1633 errichteten lutherisch-theologischen Professuren zu erhalten. Zu diesem Zweck suchte der Rat die im Prager Frieden vorgeschriebene Rückgabe der von den Lutheranern bei der Wiedergründung der Universität angeeigneten Fakultätsrechte zu umgehen.[28] Wochen vor Marx’ plötzlichem Tod hatte der Rat eine Apologie verfasst, die auch kurz auf Marx biografisch einging. Auch damals hob man von seiten des Rates hervor, wie freundlich Marx mit vielen seiner lutherischen Kollegen umging. Zu seinen Lebzeiten wehrte sich Marx gegen solches tendenzielle und pauschale Lob.[29] Dessen mögliche Implikationen waren ihm klar: Marx habe auf freundlichen Fuß mit den Professoren augsburgischer Konfession gestanden und habe damit de facto die Änderungen seit 1632 toleriert und gut geheißen. Marx selbst hingegen unterstrich, wie freundlich seine Verbindungen zu den „alten“ lutherischen Professoren waren, die bereits vor 1632 an der Erfurter Universität lehrten, und wie sie sich vom feindlichen Verhältnis zu den neu berufenen und konfessions-kontroversen Theologen, wie Georg Großhain und Nikolaus Zapf, unterschieden.[30]

Spätere Biografen haben diesem eigennützigen Lob von lutherischer Seite einige Details hinzugefügt. Just Christoph Motschmann nahm 1730 Marx in seine lokale Gelehrtengalerie auf. Dort erwähnte Motschmann auch eine ihn diffamierende Mord-Anklage, deren Unhaltbarkeit Marx selbst des öfteren hervorgehoben hatte.[31] Anhand der hier editierten Schriften von Marx beschrieb Otto Bock 1907 eine Episode der Universitätsgeschichte.[32] Schließlich gab Erich Kleineidam 1980 eine Übersicht über Schulbildung und akademischen Werdegang des Schreibers.[33]

Trotz der Aufmerksamkeit, die Marx in Kurzbiografien zuteil wurde, war der katholische Priester und Kirchenhistoriker Franz Schauerte bis vor Kurzem der Einzige, der Marx’ Amtstagebuch ausführlich verwendete.[34] Seine Abhandlung zu ”Gustav Adolf und die Katholiken in Erfurt” erschien 1887 bei der katholischen „Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland“ als Beitrag zu einem lange andauernden historischen Streit um die Bewertung der historischen Rolle der habsburgischen Kaiser und des schwedischen Königs Gustav Adolf im Dreißigjährigen Krieg.[35] Im 19. Jahrhundert hatte dieser Historikerstreit höchst aktuelle Bezüge. Der politische Kampf um eine klein- oder eine großdeutschen Lösung wurde gewissermaßen auch auf den Schlachtfeldern des Dreißigjährigen Krieges virtuell in der historischer Retrospektive ausgefochten und in zahlreichen Theaterstücken, historischen Romanen und akademischen Studien verarbeitet. Nach 1871 änderte der Streit seinen Charakter. Im Rahmen des sogenannten Kulturkampfs ging es jetzt um den Platz der deutschen Katholiken im neugegründeten wilhelminischen Kaiserreich. Schauertes kämpferischen Ton versteht man besser, wenn man ihm Werke gegenüber stellt, die, voll von preußisch-protestantischem Patriotismus, den schwedischen ‘Löwen aus Mitternacht’ feiern. So geben etwa die Schriften des Thüringer Theologen Ottomar Lorenz in typischer Weise wieder, wie der ‘Retter des evangelischen Glaubens’ damals die Lutheraner in Deutschland vom katholischen Joch befreit habe. Der sicherlich dramatischste Ausdruck dieser Gesinnung ist sein „Volksstück“ über „Gustav Adolf in Erfurt“. Herausgegeben wurde es 1889 von dem kurz zuvor in Erfurt gegründeten „Evangelischen Bund zur Wahrung Deutsch-Protestantischer Interessen”.[36]

Um einen solchen Gustav-Adolf-Kult zu revidieren, will Schauerte ”die Schicksale der Erfurter Katholiken in der Schwedenzeit kurz erzählen”. Er widmet sich einzelnen Ereignissen. Eingriffe, Überfälle und maßlose Forderungen reiht er in einer „Kette der Leiden“ aneinander.[37] Zu diesem Zweck wertete er Stiftsprotokolle aus Erfurt und Archivalien aus Wernigerode aus; ergänzend zog er vereinzelt lutherische Chroniken und Ratsprotokolle hinzu. Diese Quellen hat er zuverlässig zusammengefasst, wobei er durchgängig die katholischen Klageschriften gegenüber den lutherischen Rechtfertigungen bevorzugt. Der Leser von Marx’ Tagebuch kommt also nicht um Schauertes Schrift herum, wenn er sich einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse in der Zeit zwischen 1631 und 1635 verschaffen will. Da Schauertes Studie noch heute von beträchtlichem Nutzen ist, lohnt sich eine kritische Auseinandersetzung mit ihr. Im Folgenden sollen drei ihrer Schwächen aufgezeigt werden: Erstens stellt Schauerte die Katholiken und die Lutheraner zu sehr als zwei homogene Blöcke dar. Zweitens dramatisiert er die Notlage der Katholiken. Und drittens hebt er die Konflikte unter den Katholiken zu wenig hervor.

Zuallererst jedoch irritieren die mangelhaften Angaben. Für einzelne Zitate werden entweder keine Quellen angegeben oder die Archivreferenzen sind ungenau und mittlerweile veraltet. Die Überprüfbarkeit der Darstellung wird dadurch erschwert. Doch das eigentliche Problem bei den Quellenangaben entsteht wohl dadurch, dass der Autor versucht, seinem Motto treu zu bleiben: akademisch zu streiten ”[m]it vereinten Kräften für Glaube und Wahrheit!”.[38] Schauerte betont, dass auch die damaligen katholischen Geistlichen vereint als ”ein[e] einmüthige Brüderschaar [...] in jenen drohenden Gefahren fest zusammen” standen. Wenn Schauerte die Aussage eines Erfurter Katholiken zitiert, bedeutete es für ihn folglich nicht viel, wer da genau spricht. Marx taucht so wiederholt bei Schauerte lediglich als ”der Chronist” auf, ohne namentlich zitiert zu werden.[39] Das Problem dieses einseitig harmonisierenden Blickwinkels wird dem Leser dann klar, wenn er selbst bei Schauerte (und verstärkt in Marx’ Amtstagebuch selbst) Hinweise darauf findet, dass die Katholiken durchaus uneinig darüber waren, wie sie sich gegenüber den Besatzungsmächten verhalten sollten. Diese Meinungsunterschiede werden weiter unten thematisiert.

Schauerte schildert nicht nur die katholischen Helden zu homogen; auch die lutherischen Gegner könnten besser von einander unterschieden werden. Schauerte bemüht sich hauptsächlich darum, König Gustav Adolf für das Leiden der Erfurter Katholiken mitverantwortlich zu machen. Es waren deshalb für ihn nicht nur die örtlichen Handlanger und Alliierten, welche „die Dornenkrone dem Klerus noch tiefer in’s Haupt“ drückten, vielmehr war die Verfolgung von höchster Stelle gewollt.[40] Um Marx’ Aufzeichnungen zu verstehen, ist es jedoch notwendig, die folgenden drei getrennten Gewalten klar von einander zu unterscheiden.

Die schwedische Krone bestimmte seit September 1631 die Situation des Erfurter Klerus. An ihrer Spitze standen König Gustav Adolf und, nach dessen Tod, der Reichskanzler Axel Oxenstierna. Sie beließen stets ihren Repräsentanten in der Stadt. Der Resident Dr. Jakob von Steinberg (und nach ihm Alexander Erskein) sollte vor allem auch ein wachsames Auge auf den regionalen Verbündeten, Herzog Wilhelm IV. von Weimar, werfen, der zweiten mächtigen Instanz in der Region. Gustav Adolf verbündete sich im Laufe seines Feldzugs 1631-1632 mit vielen lutherischen Fürsten, nicht zuletzt um Kosten bei der Kriegsführung einzusparen.[41] Seine Konföderierten wiederum nahmen oft das Risiko der kaiserlichen Ächtung im Kauf, weil sie selbst territoriale Gebietsgewinne erhofften. So plante auch Wilhelm IV. von Weimar in erster Linie, das in nordwestlicher Richtung gelegene katholische Eichsfeld seinem Herrschaftsbereich einzugliedern; aber auch die Schutzherrschaft in der benachbarten Stadt Erfurt erhoffte er zu gewinnen. Wann immer er nur konnte, wälzte er selbstverständlich, wie jeder andere Kriegsherr, die Kosten der Kriegsführung auf die Stadt ab. Der „Stadt halter [...] ist worden zum Stadt Verwüster“ hielt ein empörter, steuermüder Chronikschreiber aus Erfurt fest.[42] Der dritte Entscheidungsträger war der städtische Rat. Nach der Aufnahme einer schwedischen Garnison, bemühten sich die federführenden Oligarchen im Rat mithilfe der schwedischen Allianz darum, ihre Unabhängigkeit gegenüber dem nominellen Stadtherrn, d.h. dem Kurfürsten und Erzbischof von Mainz zu stärken. Teil dieser Bemühungen war es, die Universität samt der katholischen Klöster und Pfarrkirchen unter die eigene Kontrolle zu bringen. Sie versuchten mit Erfolg, Gustav Adolf und Axel Oxenstierna für solche Pläne zu gewinnen. Die Forderungen des Erfurter Rates stellten also die weitreichendere Drohung für die Katholiken dar. Der schwedische Resident Erskein und der Weimarer Kriegszahlmeister Evander forderten in erster Linie lediglich Geld.[43]

Das zweite gewichtige Problem ist, dass Schauerte konsequent die Notlage der katholischen Geistlichen übertreibt. ”[U]nter den katholischen Geistlichen Erfurt’s [herrschte] Jahre lang die äußerste Noth”[44]. Dieser Superlativ ist erstens durch den spezifischen Charakter der von ihm benutzten Quellen bedingt. Schauerte stützt seine Studie vor allem auf Klageschriften. Aus ihnen ergibt sich eine lückenlose ”Kette der Leiden” für die Katholiken; ”war die eine Nothlage vorüber, so kam die andere.”[45] Zweitens geht es aber dem Autor neben wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit auch um den Glauben selbst. So kommt es zu hagiographischen Formulierungen von dem ”schweren Kreuz der Verfolgung” worunter die Katholiken „seufzten”. Der triumphale Einzug Gustav Adolfs wird so zum “Leichenbegängnis der katholischen Kirche in Erfurt.”[46]

Diese drastische Deutung ist nur bedingt tragfähig. Das Eindringen in die Klöster und katholischen Kirchen hatte seine Grenzen. Als der sitzende Rat im November 1632 erst Vorsteher in den Klöstern einsetzte und dann Kirchenschlüssel anzufordern begann, führte er eine schon länger bestehende Politik fort. Denn schon seit der Mitte des 16. Jahrhunderts hatte der Rat mehrfach versucht, bestehende Klöster und Kirchen für den lutherischen Glauben zu gewinnen; zumeist griff er dabei erst dann ein, wenn ein Priester oder das letzte Ordensmitglied eines Konvents starben.[47] Marx und seine geistlichen Kollegen sahen, wie der Rat in der neuen Situation versuchte, lutherische Pfarrer in den umliegenden katholischen Dörfern einzusetzen. Sie befürchteten durchaus zu Recht, dass der Rat mit diesen Maßnahmen dem katholischen Glauben in Erfurt schrittweise auf lange Sicht ein Ende bereiten wollte; Marx übertrieb somit nicht, als er in einem Rückblick Ende 1635 behauptete, dass der Rat ihnen „gern den garauß gemacht hette“.[48] Da der Dreißigjährige Krieg jedoch oft allgemein als eine Zeit der Brandschatzungen, Vergewaltigungen und Massaker geschildert wird, führen Schauertes entsprechend dramatische Phrasen leicht in die Irre. Der Rat ging gegen den Klerus ”in seinem Zerstörungswerke” nicht vorrangig mit physischer Gewalt vor. Nachdem die schwedische Krone ihm Rechte an den katholischen Kirchen und Klöster übereignet hatte, versuchte der Rat vielmehr, durch kontrollierte Machtanwendung zu erzwingen, dass der Klerus seine Herrschaft als legitim anerkannte.[49] Dieser abgestufte Druck ließ jeweils noch viel Raum für Verhandlungen übrig. Als der Rat durch Universitätsbeamte die Dekanatsinsignien von Marx forderte, konnte Marx ihnen entgegnen, dass er niemals freiwillig seine Fakultätskiste abgeben wolle, sondern dies nur unter Anwendung von Gewalt geschehen lassen müsse. Dieser Hinweis war durchaus wirksam, denn Marx wusste, dass Gewalt für den Rat nur die letzte Option war. Der Rat versuchte eher, die katholischen Entscheidungsträger zu einem ‘freiwilligen’, rechtsgültigen Einlenken zu zwingen.[50]

Der Stiftsklerus und die unterschiedlichen Orden reagierten auf den steigenden Druck verschieden. Manche Geistliche flüchteten schon vor oder während der schwedischen Besatzung.[51] Andere blieben in der Stadt und lehnten es kategorisch ab, neben dem König auch dem städtischen Rat Treue und Unterwerfung zu schwören. Dafür wurden sie Ende Dezember 1633 wie Kriminelle öffentlich gedemütigt und aus der Stadt verwiesen. In den Augen der Verwiesenen konnten die Kompromisse der Zurückgebliebenen, unter ihnen Caspar Heinrich Marx, leicht als Schwäche ausgelegt werden. Der damit verbundene Streit unter den katholischen Entscheidungsträgern wird von Schauerte durchgängig untertrieben. Die vereinte, ”einmüthige Brüderschaar” der katholischen Geistlichen und Laien fanden, so Schauerte, ”in dem festen Zusammenhalt mit einander [...] Trost und Kraft, um den schweren Drangsalen nicht völlig zu unterliegen.”[52] Diese dritte Schwäche seiner Darstellung ist im Hinblick auf das Verständnis des vorliegenden Amtstagebuches vielleicht die größte. Schauertes eigene Befunde sprechen gegen sein pauschales Lob. Als Marx durch zähe Verhandlung und Kompromisse die Stiftsgeistlichen vor der Ausweisung bewahrte, wurde sein Handeln von einem Mainzer Beamten, Johannes Dresanus, angegriffen. Die Stiftsgeistlichen sahen es daraufhin als notwendig an, eine Apologie zu verfassen.[53]

Diese Konfrontation war keineswegs einzigartig. Die ‘kleineren Übel’, welche die Zurückgebliebenen wie Marx wiederholt akzeptieren mussten, um überhaupt bleiben zu können und um so ‘größeres Übel’ zu vermeiden, gaben genügend Anlass zum Streit.[54] Ein gutes Beispiel ist der problematische Beschluss vom Februar 1632, das Haus eines verstorbenen Priesters an den Weimarer Gesandten, Dr. Daniel Burchardt, zu verkaufen. Marx hebt dessen günstige Folgen hervor. Wiederholt legte Burchardt ein gutes Wort ein, wenn das Stift ihn darum bat. Erst Burchardt vermochte, nachdem ihm das Haus auf seinen Wunsch hin verkauft worden war, einen wirklichen Schutz zu gewährleisten. Somit half er dem ”Clerus et populus Catholicus der bishero der Religion undt Exercitii [Religionsausübung] halber getragener furcht undt gelittener Molestion [Belästigung] in den kirchen einen gewunschten drost” zu erlangen. Dass nun dieser „sonderbahrer gueter freundt und Patron“ des Klerus zuvor, kurz nach dem Einzug der Schweden, der Plünderung der städtischen Klöster vorgestanden hatte, das lässt Marx hingegen unerwähnt.[55] Das Amtstagebuch diente somit auch Marx zur eigenen Rechtfertigung.

Marx wandte sich in seiner Rechtfertigungsschrift auch gegen interne Gegner. Kritisiert wird dort vor allem ein weiterer katholischer Doktor des Jahres 1629, der Mainzer Schultheiß und Doktor beider Rechte, Johannes Dresanus. Als Vertreter des Mainzer Kurfürsten stand Dresanus qua Amt in einer gewissen Spannung zu den Stiftsgeistlichen, die oft aus Sachsen stammten oder aber aus dem städtischen katholischen Patriziat gewählt wurden.[56] Marx nutzte denn auch jede Gelegenheit, um Dresanus anzuschwärzen. Blättert man zum ersten Mal in dem hier edierten Manuskript, dann sind es die Rand-Notizen ”NB. Dresanus”, die als Erstes auffallen.[57] Sie verweisen auf Episoden, in denen sich der Mainzer Schultheiß, laut Marx, eigenartig oder sogar verräterisch verhielt.

Übrigens war Marx weder der erste noch der letzte Erfurter Geistliche, der sich anhand solcher Aufzeichnungen vor Kritik schützte. Das Amtstagebuch des Sieglers Dietrich Buhemeiger (gest. 1589) entstand aus einem ähnlichen Spannungsverhältnis mit dem Mainzer Weihbischof heraus.[58] Und kurz nach Marx’ Tod schrieb der Prior des Kartäuserklosters, Johannes Arnoldi, zum zweiten Mal in seinem Leben die Annalen seines Klosters. Auch Arnoldi war in Erfurt geblieben. Auch er sah sich gezwungen, Kompromisse einzugehen. Nach dem Ende der ersten schwedischen Besatzung 1635 nahm er sich daher vor, sein Handeln durch ein „Diarium“ zu rechtfertigen, „eine kurze und fast tagebuchartige Beschreibung von dem, was vor und nach dem Ankunft des [schwedischen] Königs bei uns geschah.“[59]

3. Inwieweit kann das Amstagebuch als Selbstzeugnis gelesen werden?

Wer dieses Amtstagebuch als ein ‘Selbstzeugnis’ analysieren möchte, sollte sich darüber im Klaren sein, dass Marx den von ihm ins Auge gefassten kurmainzischen Lesern und Amtsträgern nur selten Einblicke in sein Innen- und Privatleben gewähren wollte. Er stellt sich ihnen als ein zäher, bedächtiger Verhandlungspartner vor, als ein Verteidiger des rechten Glaubens und der kirchlichen Rechte. Der Leser sucht aber auf dem Titelblatt vergebens nach dem Namen des Verfassers; Marx ist ein zurückhaltender Autor. Fast beiläufig präsentiert er sich in einer Randnotiz auf Seite 8 verso. Dort lässt Marx den Leser fragen: „Tu quis es?“ (Wer bist du?) und antwortet mit Hinweis auf einen Eintrag zum 1. Januar 1632, wo er von sich selbst als „Autor dieses Tagebuchs“ schreibt.[60]

Seine übrigen, auf die eigenen Person und auf sein Selbst bezogenen Einträge sind ähnlich sachlich und zurückhaltend. Im Unterschied zum lutherischen Blaufärber Hans Krafft schreibt er kaum von der eigenen Familie.[61] Nur einmal erwähnt er, wie räuberischen Soldaten der schwedischen Armee, kurz nach dem Einmarsch im September 1631, in seinem Haus auf dem Petersberg einbrachen, den Hausrat zerschmetterten, und seine Mutter und Schwester hinausjagten.[62] Zwei Tage zuvor hatte Marx selbst aus diesem „Haus Zum Bunten Schild” fliehen müssen.[63] Ansonsten klagt er wenig über das eigene erlittene Unrecht. Die infame Beschuldigung, er habe 1632 einen Universitätspedell vergiftet und ermordet, erwähnt er eher beiläufig und indirekt.[64] Nur selten lässt er sich zu Klagen mitreißen. „O Herr Gott, du siehst, in wievielen Nöten wir festgesetzt sind!” ruft er einmal im Buch aus, auf Latein.[65] Mit „O Sendung, o Berufung“ schließt er einen niederwerfenden Bericht über die Einsetzung eines lutherischen Pfarrers in der bis dahin katholischen Erfurter Landgemeinde Hochheim ab.[66] Etwas ausführlicher berichtet Marx an einer anderen Stelle, wie er vor dem schwierigen Beschluss, dem Rat den Treueid zu leisten, selbst beichtet und betet. Diese offenherzige Niederschrift sollte aber der „posteritas“, der Nachwelt, als Beleg seiner Aufrichtigkeit dienen, sie ist Teil einer “Admonitio“, Ermahnung, in der sich Marx mit Kritikern wie Dresanus auseinandersetzt.[67] Die andere zeitgenössische narrative Rechtfertigungsschrift eines Erfurter Klerikers, die Chronik des Kartäuser-Priors Johannes Arnoldi, enthält deutlich mehr an autobiografischen Notizen als dieses Amtstagebuch.[68]

Auch in seinem „Ohnvorgreifliche[n] Bedencken, die Theologische Facultät betreffendt“, das Marx wenige Wochen vor seinem Tod verfasste,[69] zeigt er sich erneut als Amtsperson, und zwar weniger als Stiftsgeistliche, sondern vielmehr als ein Dekan. Bedächtig beschreibt er hier erneut anhand seines Tagebuches die lutherischen Ein- und Angriffe auf die katholisch-theologische Fakultät und ihn selbst als deren Dekan; zäh zählt er noch einmal auf, wie sein „Jus“ und sein „Ehr“ verletzt worden seien.[70] Er bemüht sich wieder „ohne die Schande der Selbstverherrlichung“ sein eigenes Handeln zu rechtfertigen, und betont erneut wie treu er seine Eide eingehalten habe.[71] Doch manches liest sich anders und persönlicher als im Tagebuch. Wenn er die Argumente des Rates widerlegt, dann erlaubt er sich neben der uns bisher bekannten Sachlichkeit auch Ironie. Und als es darum geht, wie der Rektor der Universität Justus Heckel ihn im Stich lässt, wird Marx persönlicher und bissiger. Der „alte Magnificus“ habe zu seiner Entschuldigung bloß zaghafte und furchtsame Worte fallen gelassen;[72] er bemühte stets die Floskel („formalia“): „Herr Doctor, ihr sehet wie es gehet, ich kann nicht[s machen]“.[73]

In seinem Tagebuch zeigt sich Marx zurückhaltender und unpersönlicher. Er schreibt kontrollierter als manche seiner anderen Zeitgenossen. Der Ratsnotar Hermann Taute, zum Beispiel, wurde wenige Jahre später vom Rat damit beauftragt, wichtige Kriegsereignisse und Rechtsstreitigkeiten schriftlich festzuhalten. Taute wich jedoch oft von dem ihm vorgegebenen Thema ab und hielt Prodigien und Wunderzeichen fest.[74] Marx hingegen erwähnt nur einmal, wie Hagelkörner so groß wie Taubeneier fallen, „mit underschiedenen figuren et imaginibus”.[75] Antikatholische Wunderberichte führt er nur kurz mit deutlich skeptischer Distanz an.[76] Ihm lagen derartige Exkurse fern; unter „wunderbare acta“ verstand er vielmehr die bedenklichen Rechtsverletzungen der Lutheraner.[77] Doch an einigen Stellen weicht er von dieser Relevanz-Gebundenheit ab: Berichte von Schlachten und Belagerungen, die eine Wende des Kriegsglückes verhießen, interessierten ihn offensichtlich. Er erwähnt etwa, wie Regensburg erst im November 1633 von den schwedischen Truppen eingenommen wurde und vermerkt dann ferner im Juli 1634 dass die Kaiserlichen die Reichsstadt wiedererobert hatten.[78]

Sein Tagebuch zeugt überdies auch von seinem karitativen Engagement. Nicht nur in seiner einzigen gedruckten Predigt aus dem Jahre 1632 forderte Marx Armenhilfe von seinen Glaubensgenossen.[79] Als im Winter 1634/1635 Tausende von Zivilisten vor den vorrückenden kaiserlichen Truppen und wegen Hungersnot aus Franken nach Erfurt flüchteten, hielt er deren kümmerliche Lebensbedingungen explizit im Diarium fest. Die „viel[en] arme[n] leut[en]“ wohnten vor den Toren und auf den Straßen; sie suchten Zuflucht „in underschidene zerfallene heuser undt keller, undt wo sie sonsten unter dach nur ein wenig kommen konnen“ haben sie sich hingelegt. Viele lagen auch „auf der blossen gassen“.[80] Die hauptsächlich lutherischen Flüchtlinge werden ihm täglich begegnet sein, bei seinem Gang zwischen seinem Haus am Fuße des Petersbergs und seiner Pfarrkirche, Allerheiligen. Auch dort hielten sie sich ”in den verwuesten hause undt keller unter Sancti Severi kirchen” am Domhügel „erbärmlich“ auf.[81]

In seinem „Diarium“ und dem „Ohnvorgreifliche[n] Bedencken“ gibt Marx Zeugnis von sich selbst als einer verantwortlichen, pflichtbewussten Amtsperson. Der Leser dieser Schriften erblickt drei Facetten bei Marx, die hier abschliessend festgehalten werden sollen.

Erstens: Marx, der Pastor. Die eben zitierten Einträge bringen das karitative Gewissen des Autors zum Ausdruck. Er sorgte sich um die Armen. Marx zeigt, wie er versucht, das Ideal eines Priesters zu erfüllen. Durch Schulunterricht und Kinderlehre, durch das Spenden der Sakramente und durch die Lesung von Messen sorgte dieser Hirte weiterhin, unter schwierigen Bedingungen, für das Seelenheil seiner Gemeinde.[82]

Zweitens: Marx, der Dekan der katholisch-theologischen Fakultät. Mit seinen lutherischen Kontrahenten ging Marx recht respektvoll um. In dieser Hinsicht folgte er nicht seinem Mainzer Lehrer, Adam Contzen.[83] Doch bei Rennemanns posthumer Darstellung von Marx als eines umgänglichen Kollegen ist Vorsicht geboten. Marx’ „Ohnvorgreifliches Bedencken“ unterschied selbst zwischen den ‘alten’ und den ‘neuen’ lutherischen Professoren, die ab 1632 an der Universität eintrafen.

Drittens: Marx, der Stiftsgeistliche. Das Tagebuch will vor allem zeigen, wie Marx vehement die Rechte seines Stiftes verteidigt. Die zurückhaltende Art, in welcher Marx bei solchen Berichten über sich selbst schreibt, sollte den ins Auge gefassten katholischen Leser wohl davon überzeugen, dass der Autor unparteiisch Bericht erstattete. Wer heute das Tagebuch liest, um mehr über den Autor und das Leben des katholischen Klerus in Erfurt zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges zu erfahren, sollte dies bei der Lektüre bedenken.


[1] [Anon.], Erffurdtische Chronica [von 388 bis 1637]. Stadtarchiv Erfurt (StAE) 5/100-33, hier Bl. 566c.

[2] Ferner wurden unter der spirituellen Anleitung der Jesuiten in den Jahren zwischen 1614 und 1622 vier marianische Bruderschaften und eine Laienschwesternschaft gebildet, Joachim Meisner, Nachreformatorische katholische Frömmigkeitsformen in Erfurt. Leipzig 1971 S. 35-65. Bernhard Dreier, Das katholische Gymnasium in Erfurt. Ein Beitrag zur Geschichte des Thüringer Schulwesens. Weida i. Th. 1916. Siehe ferner Werner Hupe, SJ, Compendium Historiae Collegii Societatis Iesu Erfurti. Aus der Handschrift übertragen, übersetzt, eingeleitet sowie mit Anmerkungen und Erläuterungen versehen. Lizentiatsarbeit, Philosophisch-theologisches Studium Erfurt, Dresden, Juni 1985. Ehemals: Bibliothek der Katholisch-Theologischen Fakultät, Erfurt EWA II 40. Heute: Universitätsbibliothek Erfurt, Mag: 96138, S. 45f.

[3] Erich Kleineidam, Universitas Studii Erfordensis. Überblick über die Geschichte der Universität Erfurt. Teil 3: Die Zeit der Reformation und Gegenreformation, 1512-1632. Leipzig 1980 S. 182f. Mit zum Kanonikat der Marienkirche gehörte auch die Stelle als Professor ordinarius der Theologie an der Universität. Marx erlangte seine Vikariate ungewöhnlicherweise bereits ab 1624, in dem Jahr, bevor er die Priesterweihe erhielt. Dies lag wohl am Einfluss seiner Familie bei der Vikariats- und Pfründenvergabe in Erfurt. S. die lückenhaften Angaben in Jakob Feldkamm, Das Benefizial- und Vikarienbuch Erfurts, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 30/31. 1909/1910 S. 45-226 (Einträge: Marx und Huttner, im Index). Siehe auch Bistumsarchiv Erfurt. St. Marien Stift, I B 19 wo vermerkt wird, dass Marx bereits 1624 in das Stiftshaus „zum Quell“ einzog. Marx wirkte zudem seit spätestens 1627 als Pfarrer der Allerheiligenpfarrei, Bistumsarchiv Erfurt. Geistliches Gericht, älterer Bestand, VI k 21, Bl. 416. Vgl. H. Peine, Die Allerheiligen-Pfarrkirche und die Magdalenenkapelle zu Erfurt. Erfurt 1925, S. 41.

[4] Zu Bettingen und Zeilier s. Kleineidam, Universitas Studii Erfordensis. Teil 3 (wie Anm. 3) S. 184, 186f. Ebd. S. 130f, 181f über die doppelte Doktor-Promotion. Marx schloss schon in Mainz Bekanntschaft mit Dr. Johann Bettingen, der dort zwischen 1614 und 1616 Theologie studierte.

[5] Zahl und Zusammensetzung der Erfurter Bevölkerung sind aufgrund fehlender Kirchenbücher nicht genau zu bestimmen. Gustav Reiche schließt aufgrund der Besteuerungslisten auf eine Gesamtbevölkerung von etwa 19 000. Tettau wertet zeitgenössische Sterberegister über die Seuchen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus. Hieraus leitet er den Anteil der katholischen Einwohner an der Gesamtbevölkerung ab, der wohl erst 1650 10 % überschritt. (1597 seien 5,6 % der Verstorbenen Katholiken gewesen; 1611 waren es 3,6 %. Zwischen 1626 und 1649 veranschlagt Tettau die katholische Bevölkerungsanzahl zwischen 5,4 und 9,7 %, mit 7 % als Durchschnitt. 1650 stieg die Zahl auf 10,6 %; 1664 gab es laut Tettau in Erfurt 12,7 % Katholiken). Wilhelm Johann Albert von Tettau, Beiträge zu einer vergleichenden Topographie und Statistik von Erfurt, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 12. 1885 S. 1-220, hier S. 214f. Gustav Reiche, Wirtschaftliche Verhältnisse in Erfurt am Anfang des dreißigjährigen Krieges, in: Festschrift zum 350jährigen Bestehen des Gymnasiums zu Erfurt. Teil 2. Erfurt 1911, S. 58-106. Bei Friedrich Hermann Schrader, Die Stadt Erfurt in ihren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen nach Beendigung des 30jährigen Krieges, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 40/41. 1921 S. 89-184, hier S. 119-124 werden für das Jahr 1648 648 Katholiken gezählt, wovon 150 Mitglieder der Klöster seien und 12 zum weltlichen Klerus gehörten.

[6] Zitat aus dem Titel von Marx’ Disputation zur Erlangung des akademischen Grades eines ”baccalarius formatus” im Februar 1629. Positiones Theologicae De Augustissimo Mysterio Sanctiss[im]ae & Diviniss[im]ae Trinitatis Quas in Alma, celebri, ac perveteri, Thuringorum Universitate, quae est Erphordiae, post intermissos injuriâ temporum, ab annis jam supràcentum Theologicos Agones, & Gradus; nunc, ope divinâ, pristinu rigori restitutos, [...] M. Casparus-Henricus Marx Erfurt. [...] Sub Praesidio [...] P. Joannis Bettingen é Societate Jesu [...] Pro Bacc. Formato, duplici certamine propugnabit Die XIX. mensis Februarii, Anno Christi MDCXXIX. [...], Erfurt 1629. Forschungs- und Landesbibliothek Gotha. 01 - Ei. 8º 00290 (1629,01). – Siehe auch die Magister- und die Doktor-Promotions-Dissertationen: Scita Theologica De Duplici Natura Christi D. Servatoris In Una Simplici Personalitate Divina: Verbi Dei sine ulla confusione, ac permixtione subsistente [...] Quae […] M. Casparus-Henricus Marx Erfurt. [...] Pro Licentiae Theologiae Gradu promerendo, publica disputatione, propugnabit [...] die XXIX Mensis Martii [...], Erfurt 1629. Forschungs- und Landesbibliothek Gotha. 13 - T.hom. 4º 00177 (14). Theologiae Fructificantis Autumnalia A veneranda Facultate Theologica Erphordiana toto jam saeculo elanguida, elapsa Hyeme revivida, nupero Maio reflorida, nunc adulto tandem Autumno denuo fructifera Quippe per [...] Joannem Bettingen E Societate Iesv S. S. Theologiae Doctorem, Collegii Societatis eiusdem Erffurti Rectorem, Qui uno partu geminos eiusdem SS. Theologiae Licentiatos [...] Casparvm-Henricvm Marx Erphordianum, primariae Ecclesiae B. Mariae V. hic Erffurti Canon. & Cantorem […] Et D. P. Iacobvm Zeliervm Theonis-Villanum, Ordinis Eremitici S. Augustini. Eximios Magistros et saepe dictae SS. Theologiae Doctores [...] primariorum consessu, […] Die V. Calend. Decemb. [...] Academico ritu, maiorum more, priscaq[ue] cerimonia, spectaculo Annis iam 109. Mense I. diebus 12. in hac Academia inviso, Fudit, creavit, renunciavit [...], Erfurt 1629. Forschungs- und Landesbibliothek Gotha. 05 - Hg. 2º 00111 (03). Eine weitere, separate Festschrift feierte diesen Ereignis; s. Kleineidam, Universitas Studii Erfordensis. Teil 3 (wie Anm. 3) S. 181. Zu Marx’ weiteren lateinischen Publikationen s. Fußnoten 14 und 21. Folgende, bislang unkommentierte, Bekehrungsschrift eines vertriebenen kalvinistischen Pfarrers (und geborenen Lutheraners, S. 2) gehört auch in die Reihe triumphaler katholischer Drucke aus dem Jahre 1629: David Schwab, Palinodia Calvinistica. Das ist Offentlicher Widerruff vnd Abkündigung deren grewlichen Calvinischen Irrthumbem/ Vor der trewhertzigen Bekandtnuß zu dem uhralten/ Gottgeliebten allein seeligmachenden Catholischen Römischen Glauben/ [...], Erfurt 1629. Auf S. 16 steuerte Caspar Heinrich Marx ein kurzes Gedicht zur Gratulation bei:

“Syncharma Neophisto Catholico Ex-Calviniano.
CAlvus eras, quia nuda fides te vestiit: Illa
Sed quia nuda fides, non fuit ulla fides.
Calvities deformis abit. Jam veste decorus
Orthodocæ fidei candidus astra petes.

M. C.H. Marx.“

Siehe hierzu auch Happe, Chronicon Thuringiae I, f. 135r.

[7] [Caspar Heinrich Marx], Diarium Actorum a tempore cæsi Exercitus Cæsariani 17./7. Septembris Ao 1631 [Tagebuch der Ereignisse (Begebenheiten) von der Zeit der Niederlage des kaiserlichen Heeres am 17./7. September im Jahr 1631 an]. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Abteilung Magdeburg Standort Wernigerode Rep. A 37b I, II, IX Nr. 15. Für die Datierung der Ereignisse verwendete Marx zumeist beide damals geläufigen Kalender: der (heute gültige) Gregorianische Kalender, der 1582 von Papst Gregor XIII. eingeführt worden war, wurde für mehr als hundert Jahre von den meisten Lutheranern als eine ‘papistische’ Erfindung abgelehnt. Die lutherische Mehrheit in Erfurt verwendete auch noch in den 1630er Jahren weiterhin den alten Julianischen Kalenders, der die Daten zehn Tage früher angab. Dieser Unterschied machte sich vor allen an Feiertagen bemerkbar. So ließ der lutherische Professor Johann Matthäus Meyfart etwa am 4/14.4 1634 (Karfreitag, laut dem gregorianischen Kalender) die Glocken in der Marien- und Severikirche läuten. Damit wollte er die Katholiken provozieren, die an diesem „stillen Freitag“ für gewöhnlich keine Glocken läuten ließen. [Anon.], Erffurdtische Chronica (wie Anm. 1) S. 653, mit Verweis auf Meyfarts weiteren Provokationen.

[8] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 8r: „nach dieser Schlacht [waren] wunderbarliche, unversehene casus mutationes undt actiones, sonderlichen hiesiges ohrtes zue befahren [befürchten], undt fuernemblichen auch bei der Geistlicheit”.

[10] Zu den beiden Ereignissen s. [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 41r-Bl. 41v (7/17.9.1632) Bl. 87r (13/23.9.1634); Hans Medick, Orte und Praktiken religiöser Gewalt im Dreißigjährigen Krieg. Konfessionelle Unterschiede und ihre Wahrnehmung im Spiegel von Selbstzeugnissen, in: Religion und Gewalt. Konflikte, Rituale, Deutungen (1500-1800). Hg. Kaspar von Greyerz, Kim Siebenhüner, in Verbindung mit Christoph Duhamelle, Hans Medick und Patrice Veit. Göttingen 2006 S. 367-382; sowie Franz Schauerte, Gustav Adolf und die Katholiken in Erfurt. Ein Beitrag zur Geschichte des dreissigjährigen Krieges. Köln 1887 S. 40-45, 72-74.

[11] Ein Augenzeuge berichtet vom Einmarsch der weimarischen Soldaten in Erfurt, September 1631: „Jch habe selbst gesehen, wie die Reuter auf ihre Pferde traten, und denen Pfaffen durch die Fenster in die Häuser einstiegen, da sie doch ausgeschickt waren, dieselbe zu verwahren.“ Nach Johann Heinrich v. Falckenstein, Civitatis Erffurtensis Historia Critica et Diplomatica, Oder vollständige Alt- Mittel- und Neue Historie von Erffurth [...]. Erfurt 1739, S. 703, der hier die zeitgenössische lutherische Chronik [Anon.], Erffurdtische Chronica (wie Anm. 1) S. 567ff zitiert. Siehe auch Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 16 und 8.

[12] Die erste Kontribution wurde am 13/23.10,1631 gefordert, [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 12r. Die Kriegssteuern und sonstigen Verluste des Klerus sind aufgeführt bei Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 12-38.

[13] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 74v (17/27.10.1633). Siehe Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 61-71.

[14] Ähnlich wie die Erfurter Katholiken im Jahre 1629 ihre beiden Doktoren der Theologie promovieren ließen, um Stärke zu zeigen, führten auch die Lutheraner 1634 eine theologische Promotion von vier Doktoren auf einmal durch. Sie stand unter der Leitung von Johann Matthäus Meyfart. Hierzu [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 87v. Zum komplexen Verhältnis zwischen Marx, Meyfart, und den anderen neuen Professoren der Theologie s. Hans Medick, Zwischen Religionskrieg und Fakultätskonflikt. Professoren an der Reformuniversität Erfurt – im 17. Jahrhundert, in: Gelehrtenleben und Wissenshaftspraxis in der Neuzeit. Hg. Alf Lüdtke und Rainer Prass. Köln, Wien, Weimar 2007, Caspar Heinrich Marx, Bedencken (wie Anm. 19) Bl. 29r, 31v-32v und Ders., Anti-Coronis Meyfartica Cum Coronide Anti-Meyfartica/ Quam pro Vindicanda orthodoxa R.P. Martini Becani Soc. Jesu S. Th. D. In Manuali controversiarum tradita [...] Editae nuper si fas est credere, A Joanne-Matthaeo Meyfarto [...] Gymnasii Coburgici Rectore, Et [...] remittit Casparus Henricus Marx S. Theol. Doct. Eccles., primariæ Cantor Erfurti &c. [...]. Erfurt 1630.

[15] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 2r-Bl. 7v. Auf Bl. 99r waren weiterhin Eide aufgeschrieben, welche Nonnen und Priorinnen dem Kurfürsten von Mainz zu leisten hatten. Marx strich auch die alten Einträge auf dieser Seite aus.

[16] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 17r. Es ist gut möglich, dass Marx sein Tagebuch erst in den Tagen unmittelbar nach dem 16/26.11.1631 begann. An jenem Tag nahm Marx an einer Beratung des Stifts- und Ordensklerus teil und fügte zum ersten Mal ein Protokoll hierüber in sein Tagebuch ein, ebd. Bl. 14r. Die vorherigen, ersten Monaten nach dem schwedischen Einmarsch hat Marx wahrscheinlich aus eigener Erinnerung und anhand der Stiftsprotokolle beschrieben.

[17] Diese unregelmässigen Protokolle wurden später mit anderen Schriftstücken (u.a. Briefen) eingebunden. Sie befinden sich im Bistumsarchiv Erfurt, Bestand St. Marien. Protocolla variarum rerum IV 1 - IV 2. Die gewöhnlichen Kapitelsprotokolle hingegen fehlen für diese Jahre.

[18] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 10v-Bl. 11r (25.9/5.10.1631), Bl. 15r (1/11.12.1631), Bl. 47v, Bl. 52r, Bl. 59r-Bl. 60r. Im Mai 1633 ging der Rat auch gegen das Marienstift vor, s. Bl. 62r-Bl. 63v und ferner Bl. 69v, Bl. 94r, Bl. 107v-Bl. 108r. Siehe auch Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 59. Der zeitweilige schwedische Resident in Erfurt, Alexander Erskein, war Experte in der Beschlagnahme von Archivalien und Büchern in eroberten Territorien. Vgl. Johannes Arnoldi, Nova Collectio Chronicæ. Clarissimæ olim Cartusiæ (wie Anm. 59), Bl. 88r-90v; Beata-Christine Fiedler, Lebensläufe zwischen Elbe und Weser. Ein biographisches Lexikon. Stade 2002, S. 96-98; Nadine Vogler-Boecker, Ein Rückblick in die Erfurter Bibliotheksgeschichte während des Dreißigjährigen Krieges, in: Miszellen zur Erfurter Buch- und Bibliotheksgeschichte. Hg. Kathrin Paasch. Bucha bei Jena 2002 S. 19-36; Heinz-Joachim Schulze, Das Stader Reichsarchiv. Die Erskeinische Aktensammlung im Niedersächsischen Staatsarchiv zu Stade, in: Arbeitsgespräch schwedischer und deutscher Historiker. Kulturelle Beziehungen zwischen Schweden und Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert. Hg. von der Stadt Stade. Stade 1990, S. 86-95.

[19] Die rechtlichen Schritte, die Caspar Heinrich Marx nach dem Beitritt Erfurts zum Prager Frieden unternahm, legte er selbst in seinem Text "Ohnvorgreifliches Bedencken, die Theologische Facultät betreffendt" [Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Abteilung Magdeburg Standort Wernigerode Rep. A 37b I, II, XVI Nr. 12], Bl. 25r-27v, dar. Einzelne Passagen hat Marx wortwörtlich seinem Tagebuch entnommen.

[20] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 110r-Bl. 110v, in Konzeptform. Marx begann tatsächlich wenige Wochen später die Eingriffe anhand des Tagebuches zu dokumentieren in seinem weiter unten beschriebenden Ohnvorgreifliche[n] Bedencken (wie Anm. 19) Bl. 23v-25r, 30v-31r, 34r. Weitere Zitate aus dem Schriftwechsel zwischen Marx und dem Vizedom bei Erich Kleineidam, Universitas Studii Erfordensis. Überblick über die Geschichte der Universität Erfurt. Teil 4: Die Universität Erfurt und ihre theologische Fakultät von 1633 bis zum Untergang 1816. Leipzig 1981 S. 7-9.

[21] Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 78. Marx feierte des Weiteren den Prager Frieden und setzte sich für die erhoffte Restitution der Universität ein, indem er am 8.10.1635 den theologischen Unterricht „plakativ“ wieder eröffnete, Marx, Bedencken (wie Anm. 19) Bl. 25r. Zum gleichen Zweck beförderte Marx eine Dissertation zum Druck: Scita Philosophica Logicae. Ethicae. Physicae. Metaphysicae/ Oblata ab Ingenuis & Eruditis Iuvenibus Joanne Heun, Wittertensi, Coll. Eccl. B. Mariae V. hic Canon. […] Instructore Casparo Henrico Marx, SS. Th. D. […]. Erfurt 1635. Forschungs- und Landesbibliothek Gotha. LA. 4º 00276 (16). Siehe dort besonders die Vorrede (Præfatio).

[22] Bistumsarchiv Erfurt. St. Marienstift III, 45, „Notabilia q[uae]dam Ex Protocollo Capituli Mariani“ (unpaginiert). Die zwei letzten Seiten enthalten Auszüge “Ex Diario h. Doct. Marx“. Sie wurde von Urbanus Heun, dem Siegler und Dekan des Marienstiftes, geschrieben; vgl. etwa den Eintrag zum 23.10.1631 („bin ich Decanus in die fürstliche Weimarische Cantzleÿ beruffen) mit [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 12r.

[23] Zu den wichtigeren fehlenden Berichten gehört die katholische Apologie über die Statuen der beiden Stadtheiligen St. Adolar und Eoban und deren umstrittenen Einschluß von Reliquien der beiden Märtyrer. Ein „Kurtzer bericht“ hierüber sollte offensichtlich auf den Blättern 83v-Bl. 84v des [Marx], Diarium (wie Anm. 7) geschrieben werden, die aber leer blieiben.  S. Medick, Orte und Praktiken (wie Anm. 10) S. 371f; Catholisch GesangBuch Aus unterschiedenen/ von der Röm-Catholischen Kirchen approbierten Gesangbüchern gezogen/ [...], Erfurt 1630, S. 448-450 („Zu den Heiligen Bischoffen vnnd Martyren Adolario vnnd Eobano/ deren vnverwesene Leichnamb in der Haupt StifftsKirchen B. M. V. zu Erffurdt ruhen“ und „S S. Adolarij & Eobani Martyrum, & Pontificum , quorum incorrupta corpora religiosè servantur in æde principe B.M.V. Erphordiæ Salutatio musica .“), sowie Anmerkung 76 unten.

[24] Die unbetitelte Leichenrede ist eine Folio-Seite lang und befindet sich in der Bibliothek des Evangelischen Ministeriums, Erfurt. Ei 15, Stück 58.

[25] Ebd. Freilich erwähnt Rennemann auch, dass manche Katholiken „vertrieben“ (abactis) oder „anderwärtig verhindert“ (avt aliter impeditis) worden seien, doch dass die Ausweisung auf Geheiß des Rates geschah hebt Rennemann, der selbst Ratsherr war, nicht hervor. Die Gefahr sei von außen gekommen, vom Krieg und den Soldaten: „& qvod grata sine dubio inter suos posteritas lavdabit, cum in difficillima propter bellicos motus & militares insolentias incideret tempora; plerisq[ue] suæ Religionis Sociis vel vita functis, vel abactis, vel etiam latitantibus, avt aliter impeditis: hic præ aliis officio suo publice functus, inter angustias divexatus plurimas mansit.“

[26] Marx, Bedencken (wie Anm. 19) Bl. 25r-34v. Rudolf Lenz, De mortuis nil nisi bene? Leichenpredigten als multidisziplinäre Quelle unter besonderer Berücksichtigung der historischen Familienforschung, der Bildungsgeschichte und der Literaturgeschichte. Sigmaringen 1990.

[27] Ein stark anti-katholischer Kirchenhistoriker lobte Marx kurz nach dem Krieg wieder im eigenen Interesse. Er präsentierte Marx als im Kern seiner religiösen Auffassungen lutherisch: ”Eben in diesem 1635 Jahre /kurtz vor M. Georg Silberschlagen/ ist D. Casparus Henricus Marx Erffurt. des Stiffts B. Mariæ Canonicus, Cantor, Domprediger/etc. zu Aller Heiligen Pfarrer/ am 10. Decemb. begraben worden ; hat seine letzte Predigt mit diesen Worten beschlossen: Es ist kein ander Verdienst als Christi Verdienst/ seelig zu werden. Ich habe es euch gesaget. Welches ich deßwegen hier gedencke/ weil er mit Lutheranern gern ümgieng/ vnd sonderlich Gelehrte respectirte/ und deren Schrifften werth hielte. Wie jhme D. Henningius Rennemann/damaliger Magnificus Rector , in der intimation deßwegen auch ein gut Lob giebt”. Johannes Hundorph, ENCOMII ERFFURTINI Continuatio [...]. Erfurt 1651, Bl. C3v.

[28] Siehe dazu [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 103r ff, Bl. 107r und folgend, sowie Medick, Universität (wie Anm. 14).

[29] Zum folgenden s. Marx, Bedencken (wie Anm. 19) Bl. 27r-35r, besonders Bl. 29r. In diesem vierten Abschnitt seiner Bedenken widerlegte Marx die Argumente des Rates ausführlich. Siehe ferner Kleineidam, Universitas Studii Erfordensis. Teil 4 (wie Anm. 20) S. 8f.

[30] Siehe Marx, Bedencken (wie Anm. 19) Bl. 27r-35r, besonders Bl. 29r. In diesem vierten Abschnitt seiner Bedenken widerlegte Marx Rennemanns Argumente ausführlich.

[31] Just Christoph Motschmann, Erfordia Literata oder Gelehrtes Erffurth [...]. Zweyte Sammlung. [...]. Erfurt 1730 S. 232-234, hier S. 234, § 4: „Unter vielen Verdrießlichkeiten, die er mit andren Geistlichen seiner Religion zu der Zeit gemein gehabt, betraf ihn noch insonderheit, daß er wegen des schleunigen Todes des Pedellen Johann Voglers in Verdacht genommen wurde; Denn als er A.[nno] 1632. in April in dem Hause Balthas.[ar] Wechmars, eines Rathsherrn, einen Convent der Theologischen Facultät angestellet hatte, und der Pedelle nach empfangenen Truncke alsbald zur Erden gefallen und gestorben, so wurde deshalben von dem Rath eine Untersuchung angestellet, in welcher ihm aber nicht das geringste beygemessen werden konte.“ Vgl. [Marx], Diarium (wie Anm. 7), Bl. 65v, Bl. 69v, Marx, Bedencken (wie Anm. 19), Bl. 22r, 24r.

[32] Otto Bock, Die Reform der Erfurter Universität während des Dreissigjährigen Krieges (Teildruck). Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen Philosophischen Fakultät der Vereinigten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg. Halle 1907, S. 33-36 mit Bezug auf die Forderung der Abgabe der Dekanatsinsignien, Mai-Juli 1633.

[33] Kleineidam, Universitas Studii Erfordensis. Teil 3 (wie Anm. 3) S. 181.

[34] Kleineidams Schilderung der Universitätsgeschichte in den Jahren 1631 bis 1635 fußt, was Marx angeht, ausschließlich auf Schauertes Schilderung; Kleineidam, Universitas Studii Erfordensis. Teil 3 (wie Anm. 3) S. 132-136. Hans Medick hat jüngst auf die Quelle und ihren Autor erneut aufmerksam gemacht. Er behandelt einzelne Episoden in den beiden, oben erwähnten Aufsätzen, Orte und Praktiken religiöser Gewalt (wie Anm. 10) und Universität (wie Anm. 14). Eine knappe Skizze der Quelle bietet Holger Berg, Das Amtstagebuch des Caspar Heinrich Marx (1600-1635), in: Stadt und Geschichte. Zeitschrift für Erfurt 37/4. 2007, S. 20-21.

[35] Franz Schauerte, Gustav Adolf und die Katholiken in Erfurt. Ein Beitrag zur Geschichte des dreissigjährigen Krieges. Köln 1887. Zur Franz Schauertes Biographie, s. Adolf Hinrichsen, Das literarische Deutschland, 2., verm. und verb. Auflage. Berlin 1891; Wilhelm Liese, Necrologium Paderbornense. Totenbuch Paderborner Priester (1822-1930). Paderborn 1934; Rudolf Joppen, Das Erzbischöfliche Kommissariat Magdeburg, Das Erzbischöfliche Kommissariat Magdeburg. Geschichte und Rechtsstellung vom Ende des Kulturkampfes bis zur Errichtung der Mitteldeutschen Kirchenprovinz 1887-1930. Bd. 8 und 9. Leipzig 1978 S. 20f.; Eduard Quiter, Die Propstei Magdeburg. Festschrift zum 100jährigen Jubiläum. Heiligenstadt 1959 S. 37. Alle Werke zitiert nach: Daniel Lorek, Franz Schauerte, in: Magdeburger Biographisches Lexikon. www.uni-magdeburg.de/mbl/Biografien/0956.htm (22.01.2007). Zu Schauertes Publikationen s. Anm 38.

[36] Ottomar Lorenz, Gustav Adolf in Erfurt. Ein Volksstück in 5 Aufzügen. (Buchhandlung des Evangelischen Bundes). Schwäbisch Hall 1889. Das Thema wurde damals akademisch behandelt im von Ottomar Lorenz herausgegebenen ”Erfurter Lutherfest-Almanach”. Vgl. den versöhnliche Artikel von Alfred Kirchhoff, Erfurt und Gustav Adolf, in: Erfurter Lutherfest-Almanach. Erfurt 1883 S. 131-269. Im Jahr 1887 schrieb Schauerte (wie Anm. 10) selbst nur vorsichtig von der Verfolgung der Katholiken in der jüngsten Geschichte. Er beklagte S. 87 die Schwierigkeiten, welcher die Katholiken in Erfurt nach dem Ende der Kurmainzer Herrschaft 1803 durchstehen mussten. Damit kritisierte er indirekt die preußische Obrigkeit. – Zum allgemeinen Hintergrund, s. Sverker Oredsson, Geschichtsschreibung und Kult. Gustav Adolf, Schweden und der Dreißigjährige Krieg. Berlin 1994 und Bernhard R. Kroener, Ein protestantisch-arischer „Held aus Mitternacht“. Stationen des Gustav-Adolf-Mythos 1632 bis 1945, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 59. 2000 S. 5-22.

[37] Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 6, 63.

[38] Franz Schauerte schließt seine Abhandlung mit dem zitierten Kampfruf, ebd. S. 87. Diese katholische Grundhaltung zeigt sich auch in Schauertes weiteren historischen Publikationen. So schrieb er z.B. über Abraham a Sancta Clara (1886) und Königin Christina von Schweden (1880). Auch über eine weitere prominente Konvertitin, die Kaiserin Elisabeth Christina von Braunschweig-Wolfenbüttel, brachte er 1885 eine Biographie heraus. Aus seiner Feder gibt es weitere Hagiographien über Jean D’Arc (1888), die Äbtissin Walburga (1892) und Wigbert, den ersten Abt von Fritzlar (1895). Mit seinen Studien über die legendäre Doppelehe des Grafen von Gleichen (1883) und die Klosterschulen der Ursulinerinnen in Erfurt (1898) widmete er sich neuen Themen der Erfurter und thüringischen Lokalgeschichte. Auch über das Erfurter Patrizierhaus „zum Breiten Herd“ auf dem Fischmarkt gab er zum dreihundertjährigen Jubiläum im Jahre 1884 eine Schrift heraus. Die Frau des Erbauers, Magdalena Denstedt, war zu ihrer Zeit eine große Förderin der Jesuiten in Erfurt gewesen.

[39] So Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 62 und 69. Schauerte zitiert weiterhin Marx, ohne ihm als Quelle erkenntlich zu machen. Siehe z.B. S. 20, 37, 39-42, 54-57.

[40] Zitat ebd. S. 63. Schauerte muss allerdings oft auf auswärtige Beispiele zurückgreifen um den König zu kriminalisieren; s. S. 8, 11, 17, 51 und 53. Gustav Adolfs Bemühen sich selbst als ‘guter König’ zu zeigen und die Übergriffe seinen Untergebenen zu überlassen, greift Schauerte am besten auf S. 17 und 39 auf. Dort schreibt er von der ”Doppelstellung des Schwedenkönigs”, welcher ”einerseits die Katholiken mit der Majestät seiner Person zu schützen versprach, anderseits [sic] aber den böswilligen Verfolgungen von Seiten der ihm untergebenen Behörden und ihrer Soldaten thatenlos zusah”. Dazu Dieter Stievermann, Erfurt in der schwedischen Deutschlandpolitik 1631-1650, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 57. 1996 S. 35-68, hier S. 50.

[41] Siehe Markus Meumann, Die schwedische Herrschaft in den Stiftern Magdeburg und Halberstadt während des Dreißigjährigen Krieges (1631-1635), in: Die besetzte res publica. Zum Verhältnis von ziviler Obrigkeit und militärischer Herrschaft in besetzten Gebieten vom Spätmittelalter bis zum 18. Jahrhundert. Hg. Ders., Jörg Rogge. Berlin 2006 S. 239-267. Wilhelms Bruder Bernhard von Sachsen herrschte über das neu errichtete Herzogtum Franken. Dazu zuletzt, aus dezidiert katholischer Sicht, Reinhard Weber, Würzburg und Bamberg im Dreißigjährigen Krieg. Die Regierungszeit des Bischofs Franz von Hatzfeldt 1631-1642. Würzburg 1979.

[42] [Anon.], [Erfurter Chronik von 438-1636]. Thüringische Universitäts- und Landesbibliothek Jena. Ms. prov. Q82. Bl. 94r-94v: „[Gustaf Adolf] hat [September 1631] aber viel Volcks in der Stadt Erffort in der besetzung gelaßen, Neben Hertzog Wilhelm von Weÿmar, welcher war gesetzet zum Stadt halter aber er ist worden zum Stadt Verwüster, denn die Bürgerschafft hat ihn Müßen geben Ein daußendt daler vber daß ander, sonst hat er getrauwet er wolte laßen Plündern“. Eine eher pro-weimarische Untersuchung findet sich bei Wolfgang Huschke, Herzog Wilhelm von Weimar als Statthalter Gustav Adolfs in Thüringen und schwedischer Generalleutnant 1631-1635. Jena 1936. Dazu ergänzend Frank Boblenz, Ergebnisse der sachsen-weimarischen Landesvisitation der 30er Jahre des 17. Jahrhunderts auf dem Eichsfeld, in: Kleinstaaten und Kultur in Thüringen vom 16.-20. Jahrhundert. Hg. Jürgen John. Weimar 1994 S. 105-122.

[43] Die bisher beste Einführung in diesen Komplex bietet Stievermann, Erfurt in der schwedischen Deutschlandpolitik (wie Anm. 40).

[44] Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 27.

[45] Ebd. S. 63, 81 .

[46] Ebd. S. 45, 9. Schauerte greift einen Satz von Alfred Kirchhoff (wie Anm. 36) auf und versucht anhand konkreter Beispiele zu zeigen, dass die katholischen Geistlichen in Erfurt nicht nur ”Martyrerhelden” (so Kirchhoff, zitiert bei Schauerte, S. 39) ähnelten. Drei Ordensmitglieder seien sogar für den Glauben gestorben. Schauertes Angaben gehen hier zumeist auf kurze Notizen in älteren Klosterchroniken zurück. Hupe, Compendium (wie Anm. 2) S. 54 (vgl. Schauerte S. 30); Colombanus Fugger, Catalogus patrum et fratrum religiosorum regalis monasterii s. Petri prope muros civitatis Erfordiensis in monte siti [...] olim circa 1630 per Fratrem Joannem Kucher [...] nunc vero 1680 renovatus a me fratre Columbano Fugger professo Bambergensi p. t. hospite [...]. Bistumsarchiv Erfurt. Hs. Erf. 19, Bl. 1r-40v, hier Bl. 3r: ”Adamus Kaudt Warburgensis Westphalus professus 1610. Cathedra S Petri occisus est â Militibus Ducis Wimariensis in occupatione Civitatis Gottingensis Anno 1632 die. 27. Febr. qui fuit Sabbath: ante Quinquægesimæ.” Diese Mitteilung weicht deutlich von der Darstellung bei Schauerte, S. 79 ab. Siehe auch Johannes Kucher, [Alfabetisches Verzeichnis der Prioren, Kantoren und anderer Würdenträger des Erfurter Petersklosters mit Angabe ihrer Lebenszeit und kurzen biographischen Notizen. Unvollständig, der Anfang mit den Buchstaben A und B fehlt]. Bistumsarchiv Erfurt. Hs. Erf 17, Bl. 1r-22v, hier Bl. 20v: ”Theodorus Neoviensis Hersfeldt. patria p[ro]f.[essus est] 1616 sub D. Andrea. In anno. 1626 die 7. April. misere admodum trucidatus à Mansfeldiacis hoc calamitate bellorum tempore unà cu[m] Capitaneo Nobilissimo cui à Sacris erat, in castro q[uo]dam iuxta Elbam fluvium situ[m] e[st] 3. milliarib.[us] à Magdeburgo dissidens, vulgariter Rawitz nuncupatum.” – Eine ähnliche Schilderung betont das Leiden der Augustiner-Chorfrauen im Neuwerkkloster. Auch sie fußt auf der konventsinternen Überlieferung und wurde am Anfang des 18. Jahrhunderts von einer Nonne aufgeschrieben. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abt. Magdeburg, Rep. Cop. Amtsbücher Nr. 1512 h: Zinsbuch des Klosters Neuwerk mit historischen Notizen, 17. und 18. Jh. (Auszüge hieraus im Erfurter Pfarrarchiv St. Crucis. Akte A 19. Chronik zu Kirche und Kloster, 19. Jh.). Ich danke Friedrich Staemmler (Leipzig) für diese beiden Hinweise.

[47] Der Kampf um die St. Wigberti-Kirche ist als exemplarischer Fall geschildert worden von Meisner, Frömmigkeitsformen (wie Anm. 2) S. 5-8. Bemerkenswert ist auch der Rückblick in einer Klosterchronik aus dem Jahr 1636 oder 1637, Johannes Arnoldi, Nova Collectio Chronicæ. Clarissimæ olim Cartusiæ (wie Anm. 59) Bl. 23v-25v. Dort erscheint die Zeit von 1631-1635 als die Wiederholung eines altbekannten Phänomens. Das Kartäuserkloster wurde während der schwedischen Besatzungszeit 1631-1635 zum vierten Mal seit der Refromation von Lutheranern bedrängt, bevor es dann später seine Güter zurückgewann. 1525 war die „invasio prima bonorum“ seitens der sächsischen Fürsten geschehen. 1535 erfolgte „Restitutio prima“. 1538: „invasio secunda“; 1567: „Restitutio secunda, sed limitata.“ 1573 vergriffen sich die kursächsischen Administratoren dann auf die Rechte des Kloster im Dorf Brembach. Auf diese ”Ultima invasio bonorum“ folgte Streitigkeiten, die erst 1630 durch einen Beschluss des Reichskammergerichts gelöst worden sei. Kurz hierzu Joachim Kurt, Die Geschichte der Kartause Erfurt, Montis Sancti Salvatoris, 1372-1803, Teil 1. Salzburg 1989, S. 185-203.

[48] Marx, Bedencken (wie Anm. 19) Bl. 29v. Schauerte jedoch schreibt diese Absicht nicht nur dem Rat, sondern – wie sonst – auch dem schwedischen König zu. Gustav Adolf versuchte, ”die katholische Religion in Erfurt zwar allmälig [sic], aber desto sicherer zu vernichten.”, Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 53.

[49] Wenn die Katholiken und ihre Kirchen angegriffen wurde, scheint es i.d.R. eine Meute gewesen zu sein, welche zerstörte. Der Rat sorgte dafür, dass Ratsdiener, wenn auch mit Verspätung, eingriffen und die Zerstörungen beendeten. Er versprach auch den angerichteten Schaden gutzumachen, [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 87r, Bl. 41v. Medick, Orte und Praktiken (wie Anm. 10) S. 372. Zitat aus Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 57.

[50] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 65r, Bl. 69r; Derselb., Bedencken (wie Anm. 19) Bl. 23v-25r; Medick, Universität (wie Anm. 14), sowie Bock, Reform (wie Anm. 32), S.33-36. Marx hatte vorher mit dem schwedischen Residenten über die ihm abgeforderte Fakultätskiste gesprochen; der Resident riet Marx, er solle dem Rat gewaltlosen Widerstand leisten (ebd. Bl. 63v-64r). Das Tagebuch zeugt wiederholt davon, wie der Stiftsklerus Mächtige findet, die mit Rat und Tat helfen. Erwähnt seien hier der Weimarer Gesandte Daniel Burchardt (s. besonders [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 19r), Erich Volkmar von Berlepsch, und die französischen Legaten La Grange aux Ormes und Marquis de Feuquières. Zu den dazugehörigen „Verehrungen“ s.e etwa Bl. 26v. Schauerte erwähnt ferner, wie sich auch der schwedische Oberst Caspar Ermes während der zweiten schwedischen Besatzung Erfurts (1636-1650) für den Prior der Kartäuser und die Jesuiten einsetzte. Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 82.

[51] E.g. [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 8v; Ders., Bedencken (wie Anm. 19) Bl. 22v; Hupe, Compendium (wie Anm. 2) S. 51.

[52] Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 39f.

[53] Ebd. S. 70f.

[54] Marx verwendete wiederholt das Prinzip des kleineren oder größeren Übels zur Rechtfertigung umstrittener Entscheidungen, [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 18v, Bl. 71r.

[55] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 23v, Bl. 42r (Zitate). Marx war wohl der engster Verbündeter Burchardts im Marienstift Bl. 25r; s. weiterhin Bl. 22r, Bl. 32r-Bl. 33r. Die angebliche Plünderung der Klöster durch Dr. Burchardt ist bislang nicht untersucht worden, s. [Anon.], Erffurdtische Chronica (wie Anm. 1) S. 583; darauf aufbauend Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 16f. Vgl. dazu Heinrich Kruspe, Sagenbuch der Stadt Erfurt. Gesamtausgabe. Nach dem Kruspe-Original von 1877 in zwei Bänden, Bad Langensalza 2002 S. 58, Nr. 51. – Statt das Haus des verstorbenen Priesters für immer zu veräußern (was kirchenrechtlich noch problematischer gewesen wäre) verkaufte das Stift Burchardt das Haus auf Lebzeiten seiner Frau und seines Sohnes. Jedoch starb Burchardts Sohn bereits am 1.7.1633, [Anon.], Erffurdtische Chronica (wie Anm. 1) S. 611.

[56] Zu dieser reizvollen Konstellation, Lorenz Drehmann, Der Weihbischof Nikolaus Elgard. Eine Gestalt der Gegenreformation. Mit besonderer Berücksichtigung seiner Tätigkeit in Erfurt und auf dem Eichsfeld (1578-87) auf Grund seiner unveröffentlichten Briefe (1572-85). Leipzig 1958, S. 49-53; Christian Grebner, Kaspar Gropper (1514 bis 1594) und Nikolaus Elgard (ca. 1538 bis 1587). Biographie und Reformtätigkeit. Ein Beitrag zur Kirchenreform in Franken und im Rheinland in den Jahren 1573 bis 1576. Münster 1982, S. 287-299. Die strittige Frage, wie viele Kompromisse mit der Besatzungsmacht einzugehen seien, spielte auch eine Rolle im späteren Konflikte zwischen dem Mainzer Erzbischof und dem Weissfrauenkloster (1638) bzw. dem Kartäuser-Prior (1642), vgl. Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 82-84.

[57] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 15r, Bl. 18r, Bl. 42r, Bl. 46v, Bl. 82r, Bl. 89r. Der Konflikt mit Dresanus fing laut Tagebuch bereits mit den ersten Kontributionsforderungen an, ebd. Bl. 14r, Bl. 14v (16-19/26-29.11.1631). Siehe weiterhin Bl. 73v, Bl. 108r, Bl. 109r.

[58] Bistumsarchiv Erfurt. St. Marienstift. III, 44 (Namensvarianten: Theodoricus, Theodor, Buchmaier, Baumeyher). Siehe Drehmann, Weihbischof (wie Anm. 56) S. 49-53 und Kleineidam, Universitas Studii Erfordensis. Teil 3 (wie Anm. 3) S. 178.

[59] Johannes Arnoldi, Nova Collectio Chronicæ. Clarissimæ olim Cartusiæ Montis S. Salvatoris prope Erfordiam celeberrimam totius Turingiæ metropolim[.] Collecta MDCX A F. Ioanne Arnoldi. Ejusdem Domus Professo. Thüringische Universitäts- und Landesbibliothek Jena. Bud. Ms. f.143. Bis Bl. 43r bleibt diese Chronik kurz und annalistisch. Doch danach werden die rückblickenden Einträge häufiger: „Seqvitur succinta & qvasi diaria de scriptio eorum, qvæ post, & immediatè ante Regis adventum circa nos contigerunt.“ Arnoldi geht hier wiederholt auf die Treueide ein, welche er mit seinem Konvent dem Rat leisten musste (Bl. 54v, 71r. Kurz dazu Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 60f, nach einer sekundären Quelle). Durch eine direkte Anrede versucht Arnoldi dem ”lieben Leser” zu erklären weshalb er sich auf einen derartigen Kompromis einließ (Bl. 71v). Auch Marx wünscht dass der Leser die aufgeschriebene Geschehnisse unvoreingenommen beurteilt; er adressiert seine Apologie an einen „gerechte[n] Beurteiler der Dinge”, [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 81v („æquus rerum ponderator“). - Arnoldis Erzählung gipfelt im Prager Frieden und der Restitution seines Klosters im Oktober 1635, Bl. 84r-Bl. 85v. Er führte seine Notizen bis zum Jahr 1636 fort. In ihrer jetzigen Fassung wurde die Chronik spätestens im Januar 1637 aufgeschrieben, wie aus ihren Datumsangaben hervorgeht (Bl. 87r „Ipsis Calendis Januarij, Anni 1637. stylo novo“; Bl. 87v: „Post haec 1. Februarij 1637”). Wie der Titel angibt, fing Arnoldi bereits 1610 an, eine Chronik zu führen. Die obige Chronik ist jedoch eine separate Fortsetzung von Arnoldis ursprünglicher Chronik. Sie trägt einen fast identischen Titel, hat aber einen ganz anderen Inhalt. Ihre chronikalischen Aufzeichnungen enden bereits vor dem Dreißigjährigen Krieg; spätere Mönche führten einen besonderen biographischen Abschnitt fort. Johannes Arnoldi, Nova Collectio Chronicae clarissimæ olim Cartusiæ Montis Sancti Saluatoris propè Erfordia celeberrimam totius Thuringiæ Metropolim[.] Collecta Anno 1610 studio et labore F. Ioannis Arnoldi eiusde[m] Domus professi. Mikrofilm-Kopie im Bistumsarchiv Erfurt, Hd 521171 (Film)/1. Das Original befindet sich im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abt. Magdeburg, Rep. Cop. Amtsbücher, Nr. 1489a. Joachim Kurt kommentiert ferner die früheren und späteren Chroniken des Klosters. Er kannte jedoch nicht die Jenenser Fassung der Arnoldi-Chronik, Kurt, Kartause Erfurt (wie Anm. 47), S. 106f.

[60] [Marx], Diarium (wie Anm. 7 ) Bl. 8v, Bl. 19v: „Author huius Diarii”. Eine ähnliche Randnotiz auf Bl. 15r.

[62] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 8v (19.9/29.9 1631). An einer anderen Stelle beschrieb er, wie seine Mutter die Fakultätskiste vor den Ratsdienern versteckte, Marx, Bedencken (wie Anm. 19), Bl. 22r.

[63] Ebd. Bl. 9v (21.9/1.10 1631) und Bl. 17r. Marx zog für kurze Zeit bei dem Junker und katholischen Ratsherrn Balthasar Wechmar ein, ebd. Bl. 11v. Er erwähnt weitere persönliche Bedrängnisse auf Bl. 13v. Das nicht mehr vorhandene „Haus zum Bunten Schilde“ befand sich am Aufstieg zum Petersberg (in der Nähe des Landgerichts auf dem heutigen Domplatz). Bistumsarchiv Erfurt. Abschriften der Urkundenregister des Domarchivs Erfurts. St. Marien. Fond I, Nr. 1501. Marx bewohnte das Haus zum Bunten Schild ab 1625, wie es aus dem Zinsregistern (Officium distributionis) vorhergeht. Bistumsarchiv Erfurt. St. Marien Stift, I B 19 (1624-1626), I K 24 (1627), I K 25 (1628), I K 26 (1630), I K 28 (1635). Der Eintrag im I K 27 (Bewohner 1633 = Urbanus Heun) ist wohl irrtümlich. Das gleiche gilt für den Eintrag zum Jahr 1626, laut dessen Marx das Haus zum bunten Eck bewohnte. Es muss sich, der Platzierung nach, um das Haus zum „Bunten Schild“ gehandelt haben. Ich danke hier Dr. Michael Matscha (Bistumsarchiv Erfurt) für seine kenntnisreichen Hinweise.

[64] Siehe Anm. 31, bzgl. die Verdächtigung. Dazu [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 65v, Bl. 69v. Ich danke Dr. Bernd Warlich für diese Hinweise.

[65] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 78v: O Domine DEos, vides in quantis angustiis constituamur!“

[66] Ebd. Bl. 64r. Zur umkämpften Einsetzung des lutherischen Pfarrers in Hochheim s. Schauerte, Gustav Adolf (wie Anm. 10) S. 62 und die lutherische Anekdote in [Anon.], Erffurdtische Chronica (wie Anm. 1) S. 629:„Nach verrichtung deßen [= die Ordinierung von Michael Hertz zum Pfarrer von Schmira und Hochheim am 17/27.6 1633] nimbt der newe Pfarrher die bauren mit sich in seine[r] behausung, seind ihr von beÿden 2. tische voll, nach gehaltene mahlzeit lest sich einer unter andern im gespräch mit nahmen heine Hagel der ältest zu hochheim hören, und spricht: weil es ja nicht anders seÿn könne, und sie müsten den H. Michael Herzen zum Pfarrer haben, so hatten sie gleichwol das vortheil daß sie etwas am gelichte ersparen können, weil er einen rohten bahrt hette.“

[67] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 81v.

[68] Arnoldis Annalen sind nach den einzelnen Prioraten organisiert. Er schreibt folglich über sich selbst in der dritten Person Singular. In der Jenenser Fassung der Chronik (Arnoldi, Nova Collectio Chronicæ, wie Anm. 59) summiert er den eigenen Werdegang bis zu seiner Wahl als Prior (Bl. 36r-37v). Arnoldi beschreibt dort ferner, wie er 1623 von Soldaten überfallen wird (Bl. 39v-40r) und geht dann ausführlich auf seine Schwierigkeiten während der schwedischen Besatzung Erfurts ein (s. etwa Bl. 50r-51v, 84r-85v). Arnoldi präsentiert sich als ein alter, kranker Prior, der viel Leid durchstehen musste, aber trotzdem treu auf seinem Posten verharrte,  obwohl er bereits vor dem Einmarsch der Schweden seine Vorgesetzten mehrfach darum gebeten hatte, von seinem mühevollen Amt befreit zu werden, Bl. 42r. Ausführliche, übersetzte Zitate aus dieser Chronik findet man bei Johann Heinrich v. Falckenstein, [...] Thüringische Chronicka [...]. 2. Buchs anderer Theil [...]. Erfurt 1738 S. 1073-1107.

[69] Marx, Bedencken (wie Anm. 19). Das Bedenken wurde frühestens am 3. November abgeschlossen; vgl. S. 27v, Pkt. X.

[70] Ebd. „wieder mein habendes jus“ (Bl. 33r), „meiner ehr und rechtenß“ (Bl. 32v).

[71] Ebd. (Bl. 30v, Zitat aus 31v).

[72] Ebd. (Bl. 31r).

[73] Ebd. Bl. 34r. An dieser Stelle schreibt Marx dem zögerlichen Heckel jedoch auch eine gewisse Integrität zu. Marx „halte auch den gueten man viel bescheidener und discreter alß dass er solches verleugnet haben solte.“

[74] Hermann Taute führte das Amtstagebuch anonym unter dem Titel: Schwartz Voigteybuch; Auf sonderbaren der Herren Oberen gegebenen Ernsten befehlich vorfertigt. Worein Allerhand sachen welche sich auf dem Lande Erffurtischen Gebieths zwischen den Unterthanen unnd Soldaten begeben eingetragen werden sollen[,] angefangen den 9. Decembris Ao 1639 bis d. 11. April 1646. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Abteilung Magdeburg Standort Wernigerode, Rep. A.37 b I,II, IX, Nr. 32. Zu Autor und Inhalt s. [Christian] Heinrich Beyer, Das schwarze Vogteibuch des Raths zu Erfurt, in: Allgemeines Archiv für die Geschichtskunde des Preußischen Staates 15. 1835 S. 240-269.

[75] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 88r (28/18.5.1634).

[76] Zu den ”underschiedenen apprehensionibus, judiciis et discursibus”, die gegen Katholiken gewendet waren, s. [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 26v, Bl. 83r (Zitat) und die beiden lutherische Chroniken von Samuel Fritz, CRONICA ERPHORDIANA. StAE 5/100-42 S. 355 („Anno 1632. fiel die maure Ein an dem Jesuiter Closter da die Jesuiter Vmbgingen, dar zu kam Ein Alter Zimmer mann Vnd sprach[:] da die kinder Israel umb die Stadt Jericho gingen fiel die maure darnider[.] itzo da die Jesuiter Vmb gehen felt ihre maure darnider.“) sowie [Anon.] Erffurdtische Chronica (wie Anm. 1) S. 649f. Der letzere Chronikschreiber beschrieb ausführlich (wenn auch etwas ungenau), wie Lutheraner die lokale katholische Heiligenverehrung als einen Betrug entlarvten. Die Auseinandersetzung drehte sich um die hölzernen Statuen der beiden Heiligen St. Adolar und St. Eoban, die angeblich Reliquien in ihrem Inneren enthielten. „Den 11. Januarij [1634] hat der Reichs Cantzler [Axel Oxenstierna] an die Catholischen gelangen laßen, die gebackene Bischöffe [i.e. Adolar und Eoban] zusehen, war eine Stunde vermeldet, in welcher er kommen wolte, und nahm sich Doctores Medicina und balbierer [sic], beÿneben seinen Prediger und etlichen Herren des Rahts und andern Leuten, so beÿ ihm aufwarteten, wie er in die Marien kirche kömbt, und ihme dieselben gezeiget werden, berichten ihn die Catholici daß sie beÿ 200. Jahren alda gelegen hetten, darauf der Reichs Cantzler geandtwortet hatte, daß es unmüglich ein gebacken fleisch so lange Zeit unvermodert zubleiben, sintemal der wurm in ein holtz kömpt und deßelbe zu nichte machet, wie geschweige denn ins fleisch, und darneben sie auch er rinnert [sic], daß sie sich wol würden zubesinnen wißen, daß alß newlich die Reichs Rähte von Schweden den 19. Aug. [1633] alhier ankommen, und den 20 dito [korrekter: 16/26.10.1633] die bischöffe auch gesehen, so hette der eine einem den großen Zehn [sic] angegriffen, und wie er gefühlet, daß er wackele, zeucht er ihm gar aus dem fueße, weist ihn den anderen, die können nicht anders vernehmen denn daß es holtz seÿ und were eingeleimet gewesen. damit aber die Catholischen auß dem falschen wahn gebracht werden möchten, so wolle er [Oxenstierna] sie sehen und besichtigen, und wo sichs befinden würde, daß sie an gebein adern und haut als gewesene menschen erkant werden könten, so wolle er den Catholischen offentlich wiederrufen, und ihres vorhergehenden hohns halben gnugsam vertreten, und ferner mit großer freÿheit begaben, Auf solche mittel sind die 2. gebackene bischöff aus dem grabe gelanget, und mit einer segen zerschnitten worden da hat sich nichts denn holtz befunden an ihren gantzen leibe, ja nicht ein einig menschlich glied, darauf hat der Reichs Cantzler die Catholischen ihres großen betruges und irthums errinnert, waß sie doch vor Aberglauben hetten, darauf sie geantwortet sie weren von ihren Vorfahren nicht anders berichtet worden. Den 15 Jan. reisete der Reichs Cantzler wieder weg auf halle.“ – Diese lutherische Chronik wurde wohl 1635 oder 1636 geschrieben. Der Chronikschreiber erinnerte sich häufig nur ungenau an die Vorgänge in den früheren Jahren. Die einzige belegte ‘Dissektion’ der beiden Statuen fand auf Geheiß des städtischen Rates am 20/10.12.1633 statt, vor der Ankunft des Reichkanzlers Oxenstierna. Bei Oxenstiernas Besuch wurde, zumindest laut Marx’ Schilderung, keine zweite ‘Dissektion’ vorgenommen. Vgl. Medick, Orte und Praktiken (wie Anm. 10) S. 370-372. Womöglich hatte zunächst König Gustaf Adolf die Reliquien am 15. September 1631 inspiziert. Das berichtet zumindest der eben erwähnte Chronikschreiber ([Anon.], Erffurdtische Chronica (wie Anm. 1) S. 641) und [Anon.= Georg Michael Pfefferkorn?], Merkwürdige und Auserlesene Geschichte von der berühmten Landgraffschaft Thüringen [...]. [S.l.] 1685, S.518: „Nur dieses mag gedachten Herren Geistlichen nicht gefallen haben/ daß der König die Reliqvien des Adolarii im Duhm hervor reichen und iederman sehen lassen/ und weil es etliche geringe Knöchelgen gewesen/ zu den Umstehenden Päbstlern gesagt hat/ ihr seyt recht einfältige Leute/ die ihr solch Knochen-Werk so hoch haltet; ihr Geistliche aber könnt diesen Betrug am jüngsten Tage nicht verantworten/ daß ihr dem gemeinen Man[n] von diesen Sachen allerley erdichtete Possen vorschwazzt [sic].“ (Der anonyme Verfasser wurde auf der Titelseite des Exemplars in der Universitätsbibliothek Freiburg i.Br von einem späteren Besitzer als der Superintendent Pfefferkorn identifiziert. (Universitätsbibliothek Freiburg, Signatur: H 6540).

[77]. [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 11v erwähnt die „wunderbare acta“ des neuen Verwalters im Mainzer Hof; Bl. 8r befürchtet Marx „wunderbarliche [...] actiones“ (zitiert Anm. 8).

[78] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 86r, Bl. 89r. Es überrascht nicht, dass Marx sich ab und zu skeptisch verhält gegenüber den Siegen, welche von der schwedischen Besatzung in Erfurt gefeiert wurden. E.g. ebd Bl. 88r, 25/15.5.1634: ”Zue mittag umb eilf Uhr ist mit groben stücken auf den Peterß berge, Cyriaci Burg undt wahlen 2. mahl losgebrandt wegen einer Victori, so Chur Sachsen in der Schlesien wieder die keiserliche Armee solle erhalten haben.” An anderen Stellen schreibt er neutraler über feindlichen Siegen, Bl. 88r, 94v.

[79] Caspar Heinrich Marx, Christliche Ermahnungs: Trost: und Leichpredig/ In Primo Exequiarum Des [...] Adami Schwindts/ [...] gehalten [...] Anno 1632. den 27. (17.) Febr. [...]. [S.l.] 1632 (Exemplare in: Bistumsarchiv Erfurt LP 142; Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha, Sondersammlung Erfurt, Eh 702 Nr. 20.). Diese Predigt ist in doppelter Hinsicht einzigartig . Erstens ist sie die einzige gedruckte Predigt von Marx. Zweitens ist sie die einzige gedruckt überlieferte Leichenpredigt, die auf einem in Erfurt verstorbenen Katholiken gehalten wurde. Martin Bauer, Erfurter Personalschriften 1540-1800. Beiträge zur Familien- und Landesgeschichte Mitteldeutschlands. Neustadt a.d. Aisch 1998 S. 420f, Nr. 784. Zu den katholischen Leichenreden und ihrer angeblicher allgemeiner Seltenheit s. aber auch: Oratio funebris. Die katholische Leichenpredigt der frühen Neuzeit. Mit einem Katalog deutschsprachiger katholischer Leichenpredigten in Einzeldrucken 1576-1799 aus den Beständen der Stiftsbibliothek Klosterneuburg und der Universitätsbibliothek Eichstätt. Hg. Birgit Boge, Ralf Georg Bogner. Atlanta, GA 1999.

[80] [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 93v (Februar 1635).

[81] Ebd. Bl. 92r-92v (Dezember 1634). Zu den schwierigen (Über)lebensbedingungen der fränkischen Flüchtlinge s. ferner ebd. Bl. 90v sowie [Anon.], Erffurdtische Chronica (wie Anm. 1), S. 692-695 und Karl-Hans Arndt, Stadt und Universität Erfurt im Kampf gegen die Pest während des dreißigjährigen Krieges, in: Beiträge zur Geschichte der Universität Erfurt (1393-1816) 12. 1965-1966 S. 11-49, hier S. 39-42.

[82] Während der ersten unsicheren Wochen der Besatzung taufte Marx so weiterhin Kinder und feierte die Messe, wo und wann es dafür eine sichere Gelegenheit gab, [Marx], Diarium (wie Anm. 7) Bl. 11v, Bl. 12r, Bl. 13v. Nach dem Tod oder der Flucht katholischer Geistlicher übernahm er auch vermehrt Aufgaben im Schulunterricht und bei Predigten Bl. 17v, 21r, 25r, 88r, 89r. Im Januar 1633 musste er helfen, seine eigene Pfarrkirche, Allerheiligen, zu verteidigen Bl. 54v. 1634 versuchte Marx, Reliquien und einen Altar vor den Lutheranern zu schützen Bl. 87r-87v. 1635 bemerkt Marx dann schließlich, dass er sich gezwungen sah, die Feier des Fronleichnam-Fests auf das Innere der St. Severi-Kirche zu begrenzen, statt diese, wie vor der Besatzungszeit üblich, mit einer öffentlichen Prozession durch das Brühl feierlich zu begehen. Siehe ebd. Bl. 94r und Meisner, Frömmigkeitsformen (wie Anm. 2) S. 101-107, besonders S. 105f.

[83] Marx hörte an der Universität Mainz Philosophie und promovierte zum Magister artium. Im vorgesehenen vierjährigen Theologiekurs lernte er u.a. Bibelexegese bei Adam Contzen (1571-1635), der dort lehrte von 1610 bis 1623. Contzen ist als eifriger Verfolger der "Häretiker" und als Staatsrechtler bekannt geworden. 1624 ging er nach München, wo er Beichtvater Maximilians I. von Bayern wurde und dessen Politik forthin wesentlich beeinflusste. Robert Bireley, Adam Contzen S. J. und die Gegenreformation in Deutschland 1624-1635. Göttingen 1975. Diesen Hinweis verdanke ich Dr. Bernd Warlich.