Undatierte Notiz des Lehrers Hugo Jacob, Striebitz bei Dornburg a/S zur "Krafftschen Chronik": Die aus einem Nachlass stammende Chronik gelangte durch einen Altwarenhändler in das Antiquariat des Verlages Carl Villaret in Erfurt. Pfarrer Alberti interessierte sich für die Handschrift, die nach ihm in den Besitz des Pfarrers Schröder-Heinichen kam und schließlich im Frommanschen Antiquariat in Jena auftauchte, wo Hugo Jacob sie entdeckte.
Die Chronik im Besitz des Oberlehrers Hugo Jacob
Etwa 1930
Hugo Jacob erwirbt die Chronik mit "zwei weiteren Handschriftenbüchlein für den Betrag von 12 RM". Er vermerkt 1938 in einer Veröffentlichung im "Thüringer Fähnlein": "Auf einem jener wunderlichen Wege, die dem Sammler zuweilen irgend eine Seltenheit zuführen..."
1931
Eine erste kurze Nachricht von W. Tröge erscheint im "Thüringer Bauernspiegel" (8. Jg. (1931) H. 10, S. 289-290) unter dem Titel "Eine unbekannte handschriftliche Erfurter Chronik aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (mit Nachrichten aus weimarischen Dörfern)".
1934
Aus einem Briefwechsel meines Vaters, Dr. jur. Heinrich Ernst, Lüneburg, geht hervor, dass er von der Existenz der Chronik erfahren hatte und dass es sich bei Hans Krafft um seinen direkten Vorfahren mütterlicherseits in der achten Generation handelt.
In Zusammenarbeit mit Herrn Kurt P. Brütt, Mühlheim/Ruhr, wird eine Stammtafel der Familie Krafft zusammengestellt.
1934-1937
Korrespondenz meines Vaters mit Herrn Wilhelm Lorenz, Erfurt, der als Familienforscher u. a. mit der Krafft-Chronik befasst ist. Schriftwechsel meines Vaters mit Herrn Jacob und Besuch meiner Eltern bei Familie Jacob in Stiebritz. Mein Vater bemüht sich vergeblich darum, die Krafft-Chronik auszuleihen oder Teile einer Abschrift zu bekommen, um die Chronik im Lüneburger Stadtarchiv beurteilen zu lassen.
1938
Erste Veröffentlichung des Oberlehrers Hugo Jacob im "Thüringer Fähnlein" (7. Jg. (1938) H. 6, S. 185-187) unter dem Titel "Eine bisher unbekannte Erfurter und Thüringer handschriftliche Chronik aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges". Der Aufsatz beschreibt die Chronik und kündigt eine Fortsetzung an, die das Familienschicksal behandelt.
Zweite Veröffentlichung des Oberlehrers Jacob in "Die Thüringer Sippe" (5. Jg. (1938) Folge 3, S. 98-108) unter dem Titel "Ein Erfurter Familienschicksal in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges". Darin wir der familiäre Teil, der in den Blättern 1-10 der Chronik enthalten ist, dargestellt und kommentiert und der Inhalt noch einmal unter der Überschrift "Lebensbild" zusammengefasst. Außerdem wird eine Fortsetzung angekündigt, von der aber nichts bekannt ist.
1939
Mit Kriegsbeginn und dem Tod meines Vaters, der im September 1939 als Soldat gefallen ist, enden alle Aktivitäten der Familienforschung in der Familie Ernst.
1948
Nach dem Tod des Hugo Jacob verbleibt die Chronik als "antiquarisches Erinnerungsstück" im Besitz seiner Erben, der Tochter Ruth Jacob und ihres Bruders in Jena. (Mündliche Auskunft von Ruth Jacob, Dezember 1991).
1990
Bei Durchsicht der Ernstschen Familienakten wird mein Interesse an der Krafft-Chronik geweckt, von der außer der Korrespondenz meines Vaters nur eine Abschrift der ersten Seite der Veröffentlichung von Hugo Jacob im "Thüringer Fähnlein" noch vorhanden ist.
Eine Reise nach Weimar im September 1990 ermöglicht es mir, Nachforschungen im Staatsarchiv Weimar anzustellen, wo alle drei Veröffentlichungen zur Krafft-Chronik als Archivdokumente vorhanden und einzusehen sind. Kopien werden mir zugeschickt. Der Versuch, in Stiebritz bei Apolda Nachkommen des Hugo Jacob ausfindig zu machen, hat Erfolg.
Nach telefonischer Kontaktaufnahme ist die Tochter von Hugo Jacob, Frau Ruth Jacob in Braunschweig bereit, die Chronik in Jena abzuholen, wo sie bei ihrem Bruder deponiert ist. Bei meinem Besuch in Braunschweig im Dezember 1990 stellt mir Frau Jacob die Chronik leihweise zur Verfügung.
Es folgen Begutachtung und Bewertung der Chronik durch den Leiter der Handschriftenabteilung der Universität Düsseldorf, Herrn Gerhard Karpp, im Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf und in Fachantiquariaten in Düsseldorf und Bad Honnef.
1991
Erwerb der Chronik im Januar 1991. Beurteilung der Chronik mit dem Ziel einer wissenschaftlichen Bearbeitung in der Geschichtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Düsseldorf.
Im Mai 1991 persönliche Kontaktaufnahme zum Museum für Stadtgeschichte der Stadt Erfurt und dem Historiker Dr. Ulman Weiß. Herr Dr. Weiß erklärt sich bereit, die wissenschaftliche Auswertung und die Veröffentlichung der Krafft-Chronik zu übernehmen.
Im Oktober 1991 wird die Chronik als Leihgabe im Museum für Stadtgeschichte der Stadt Erfurt deponiert, bis wegen mangelhaft gesicherter Unterbringungsmöglichkeiten beim Umbau des Gebäudes eine Verlegung der Handschrift erforderlich wird.
1994
Die bisherigen Pläne einer wissenschaftlichen Auswertung in Erfurt müssen aufgegeben werden. Die Kontaktaufnahme zur Universität Leipzig ist erfolgreich.
1995
Die Krafft-Chronik wird der Abteilung "Sondersammlung" der Leipziger Universitätsbibliothek als Leihgabe zur Aufbewahrung übergeben. Der neue Leiter der Handschriftenabteilung, Herr Gerhard Karpp, ehemals UB Düsseldorf, stellt die Verbindung zum Historischen Seminar der Universität Leipzig her.
Aus einer Anfrage des Max-Planck-Instituts für Geschichte in Göttingen nach dem Verbleib der Krafft-Chronik entwickeln sich weitere Kontakte. Frau Dr. Benigna von Krusenstjern nimmt die Daten des Blaufärbers Hans Krafft in ihr wissenschaftliches Nachschlagewerk über "Selbstzeugnisse aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges" auf.
1996
Prof. Dr. Wieland Held, Ordinarius für Sächsische Landesgeschichte an der Universität Leipzig bietet Herrn Jörg Schmidt aus Erfurt die wissenschaftliche Bearbeitung der Chronik im Rahmen einer Magisterarbeit an.
Ein weiterer Versuch, die Überlieferungsgeschichte der Chronik doch noch weiter zurückzuverfolgen, gelingt im Oktober nach einem Telefonat mit der inzwischen 85-jährigen Tochter Ruth des Hugo Jacob. Sie verweist auf den Heimatforscher Karl Moszner in Hohlstedt bei Erfurt, der den umfangreichen Nachlass von Hugo Jacob "vor etwa 25 Jahren" von ihr übernommen hat. Herr Moszner findet eine Notiz über den Kauf der Chronik und die Vorbesitzer. Weitere Gesprächsnotizen weisen darauf hin, dass 1937 eine schriftliche Bewertung der "Krafftschen Chronik" vom Direktor des Thüringischen Staatsarchivs Weimar verfasst wurde, die aber nicht auffindbar ist.
Am 20.12.1996 reicht Jörg Schmidt seine Magisterarbeit über die Krafft-Chronik im Historischen Seminar der Universität Leipzig ein. Der Titel lautet "Die Krafftsche Chronik und ihr Platz in der Erfurter Stadtgeschichte".
1997
Jörg Schmidt erarbeitet eine Transkription des Textes in meinem Auftrag.
1998
In der Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte, Band 52 (Jena 1998) erscheint der Aufsatz "Die Erfurter Chronik des Hans Krafft und ihre Bedeutung für die historische Überlieferung der Stadt", den Jörg Schmidt in Zusammenarbeit mit Prof. Held verfasst hat.
1999
Frau Dr. von Krusenstjern vermittelt den Kontakt mit Prof. Dr. Hans Medick von der "Arbeitsstelle Historische Anthropologie" des Max-Planck-Instituts für Geschichte (Göttingen) an der Universität Erfurt, der eine Datenbank mit ausgewählten digitalen Editionen von Selbstzeugnissen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges plant. Für diese digitale Edition könnte das Selbstzeugnis von Hans Krafft ein Baustein sein.
2000
Von März bis Mai wird das Manuskript für eine Digitalisierung unter Leitung von Dr. Rupert Schaab von der Handschriftenabteilung der UB in Gotha ausgeliehen. In Göttingen nimmt Dr. Norbert Winnige die technische Bearbeitung der CD ROM auf.
2001
Jörg Schmidt legt in einer ersten Rohfassung eine modernisierte Transkription der Chronik vor, die von Prof. Medick weiter editorisch betreut wird.
2002
Zum Jahresende wird in Kooperation mit Dr. Winnige, Göttingen, an der Umsetzung des transkribierten und editierten Textes der Krafft-Chronik in eine digitale Edition experimentiert. Ein erster Vorlauf kann am 18. Dezember 2002 im Internet abgerufen werden.
2003
Im Laufe des Jahres soll die Chronik als erster Text der geplanten Datenbank "Mitteldeutsche Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges" in digitaler Edition zur Verfügung stehen.
Am 22.09.2003 endet der Leihvertrag mit der Universität Leipzig, um die Chronik nach Abschluss der wissenschaftlichen Bearbeitung an den Heimatort des Blaufärbers Hans Krafft zurückgeben zu können.
Die Übergabe an die Handschriftenabteilung der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha fand am 5. November 2003 statt.
Dem Depositumvertrag entsprechend wird die Chronik hier der Forschung zur Verfügung stehen, wobei der Erhalt der Schrift im Vordergrund steht.
Nachwort
Ich bin sehr dankbar, dass es nun gelungen ist, die bis zu 400 Jahre alten unbekannten Aufzeichnungen meines direkten Vorfahren in der neunten Generation in einer beispielhaften Gemeinschaftsarbeit zu erschließen und als elektronische Edition zu veröffentlichen.
November 2003 | Eva Locher |